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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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oder 1986? So etwa. Es war an dem Abend in Taipeh gewesen, als sie zusammen in diesem Grand Hotel zu Abend aßen, in dem sie logierten, eine Art Hollywood-Pagode, von deren Fenstern aus die Stadt wie ein Mantel aus Glühwürmchen aussah. Zum dritten, vierten oder zehnten Mal machte Steve ihr einen Heiratsantrag, und Urania sagte »nein«, schneidender als andere Male. Zu ihrer Überraschung sah sie, daß Steves hellhäutiges Gesicht sich verzog. Sie konnte das Lachen nicht verkneifen.
    »Du wirst doch wohl nicht weinen, Steve. Aus Liebe zu mir? Oder hast du ein paar Whiskys über den Durst getrunken?«
    Steve lächelte nicht. Er schaute sie eine Weile an, ohne zu antworten, und sagte dann jenen Satz. »Du bist ein Eiszapfen. Wie eine Dominikanerin wirkst du nicht gerade. Eher wirke ich wie ein Dominikaner.« Na so was, der Rothaarige hatte
    sich in dich verliebt, Urania. Was mochte aus ihm geworden sein? Ein wunderbarer Mensch, Abschluß auf der Universität von Chicago in Wirtschaftswissenschaft, sein Interesse für die Dritte Welt umfaßte die Probleme der Entwicklung, ihre Sprachen und ihre Frauen. Er heiratete schließlich eine Pakistani, eine Angestellte der Bank, die im Kommunikationsbereich arbeitete.
    Bist du ein Eiszapfen? Nur Männern gegenüber. Und nicht
    bei allen. Bei Männern, deren Blicke, Bewegungen, Gesten, Worte eine Gefahr verkünden. Wenn du in ihrem Kopf oder in ihrem Körper die Absicht erahnst, dir den Hof zu machen, sich auf ein Abenteuer mit dir einzulassen. Dann läßt du sie diese polare Kälte spüren, die du auszustrahlen weißt, wie der Skunk seinen Pestgestank, mit dem er die Feinde in die Flucht schlägt. Eine Technik, die du mit der Meisterschaft beherrschst, die du in allem erreicht hast, was du dir vorgenommen hast: Studium, Arbeit, unabhängiges Leben. ›Alles, außer Glücklichsein.‹ Wäre sie glücklich geworden, wenn sie ihren Willen, ihre Disziplin darauf verwandt hätte und es ihr gelungen wäre, die unüberwindliche Ablehnung, den Ekel zu überwinden, den ihr Männer einflößen, in denen sie Begehren auslöst? Vielleicht. Du hättest eine Therapie machen, Hilfe bei einem Psychologen, einem Psychoanalytiker suchen können. Sie kannten Mittel gegen alles, auch gegen den Ekel vor dem Mann. Aber du wolltest keine Heilung. Im Gegenteil, du sahst es nicht als Krankheit, sondern als Charakterzug, wie deine Intelligenz, deine Einsamkeit und deine Leidenschaft für die gut gemachte Arbeit. Ihr Vater sitzt mit offenen Augen da und schaut sie leicht erschrocken an.
    »Ich mußte an Steve denken, einen Kanadier bei der Weltbank«, sagt sie mit leiser Stimme, während sie ihn forschend betrachtet. »Ich wollte ihn nicht heiraten, und deshalb sagte er zu mir, ich sei ein Eiszapfen. Ein Vorwurf, der jede Dominikanerin beleidigen würde. Wir haben den Ruf, feurig zu sein, unschlagbar in der Liebe. Ich habe den gegenteiligen Ruf errungen: zickig, gleichgültig, frigide. Wie findest du das, Papa? Gerade eben mußte ich vor der Cousine Lucinda einen Liebhaber erfinden, damit sie nicht schlecht von mir denkt.«
    Sie verstummt, weil sie bemerkt, daß der in seinem Sessel zusammengesunkene Invalide bestürzt wirkt. Er verscheucht die Fliegen nicht mehr, die in aller Ruhe auf seinem Gesicht herumspazieren.
    »Ein Thema, über das ich gern mit dir gesprochen hätte,
    Papa. Über Frauen, über Sex. Hast du nach Mamas Tod Abenteuer gehabt? Ich habe nie etwas bemerkt. Du wirktest nicht wie ein Frauenheld. Hat die Macht dich so sehr erfüllt, daß du keinen Sex brauchtest? Das kommt vor, sogar in diesem heißen Land. So ist es bei unserem ewigen Präsidenten Don Joaquín Balaguer, nicht? Junggeselle mit seinen neunzig Jahren. Er hat Liebesgedichte geschrieben, und man munkelt von einer heimlichen Tochter. Ich habe immer den Eindruck gehabt, daß Sex ihn nie interessiert hat, daß die Macht ihm das gegeben hat, was andere im Bett gefunden haben. War das bei dir auch so, Papa? Oder hattest du diskrete Abenteuer? Hat Trujillo dich zu seinen Orgien im Mahagonihaus eingeladen? Was geschah dort? Hat der Chef sich auch, wie Ramfis, einen Spaß daraus gemacht, Freunde und Höflinge zu demütigen, indem er sie zwang, sich die Beine zu rasieren, sich kurzzuscheren, sich zu schminken wie alte Lebedamen? Machte er diese Spaße? Auch mit dir?«
    Der Senator Cabral ist so blaß geworden, daß Urania denkt: ›Er wird gleich in Ohnmacht fallen/ Damit er sich beruhigen kann, wendet sie sich von ihm ab. Sie tritt

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