Das Fest
dem Gerücht etwas dran sein. Krank konnte natürlich tun, was ihm Spaß machte, aber Vic und die übrigen Nachbarn in der Hemlock Street würden sich das verdammt noch mal nicht so ohne weiteres gefallen lassen.
Frohmeyer war der selbst ernannte Wächter von Hemlock. Da er in seinem Job an der Universität eine ruhige Kugel schob, blieb ihm genug Zeit, sich in alles einzumischen und mit grenzenloser Energie Veranstaltungen jeglicher Art zu organisieren. Durch seine sechs Kinder hatte sich sein Haus zum unbestrittenen Stammtreffpunkt entwickelt. Die Türen standen stets offen, irgendein Spiel war immer im Gange. Was zur Folge hatte, dass sein Rasen ziemlich schlapp aussah, auch wenn Frohmeyer viel Mühe auf die Blumenbeete verwendete.
Es war Frohmeyer, der Stadtratskandidaten in die Hemlock Street brachte, wo sie auf Grillfesten in seinem Garten ihre Wahlkampfversprechungen loswerden konnten. Es war Frohmeyer, der mit Petitionen die Runde machte, an jede Tür klopfte und Unterschriften sammelte — sei es gegen ein Bauvorhaben, für eine Schulpartnerschaft, gegen eine geplante vierspurige (und kilometerweit entfernte) Straße oder für ein neues Abwassersystem. Es war Frohmeyer, der bei der Müllabfuhr anrief, wenn die Tonnen eines Nachbarn nicht geleert worden waren, und eben weil es Frohmeyer war, wurde die Angelegenheit schnellstens erledigt. Ein streunender Hund, womöglich aus einer der angrenzenden Straßen — Vic Frohmeyer griff zum Telefon, und sofort war jemand vom Tierheim zur Stelle. Ein streunender Jugendlicher, womöglich mit langen Haaren, Tätowierungen und dem stechenden Blick des typischen Kriminellen — Frohmeyer rief die Polizei, die den Betreffenden unverzüglich festnagelte und ausfragte. Ein Krankenhausaufenthalt eines der Bewohner der Hemlock Street — die Frohmeyers arrangierten Besuche, kümmerten sich um den Einkauf und sogar um die Rasenpflege. Ein Sterbefall — sie besorgten Blumen für die Beerdigung und organisierten Fahrten zum Friedhof. Ein Nachbar in Not konnte sich immer an die Frohmeyers wenden.
Auch die Frostys waren Vics Idee gewesen, selbst wenn er nicht den ganzen Ruhm dafür einstreichen konnte, weil er sie zuvor in einem Vorort von Evanston gesehen hatte. Auf jedem Haus der Straße der gleiche Frosty — ein zwei Meter vierzig hoher Schneemann mit einem schwarzen Zylinder auf dem Kopf, einer Pfeife sowie einem dämlichen Grinsen im Gesicht und einer dicken Fettrolle um die Mitte. Das Ganze leuchtete dank einer Zweihundert-Watt-Birne irgendwo in der Nähe von Frostys Dickdarm strahlend weiß. Die Hemlock-Frostys hatten sechs Jahre zuvor mit überwältigendem Erfolg ihr Debüt gegeben — einundzwanzig Häuser auf der einen Seite, einundzwanzig auf der anderen, die Straße erhellt von zwei vollkommen symmetrischen Reihen von Frostys in zwölf Metern Höhe. Auf der Titelseite der örtlichen Zeitung war ein netter Artikel mit Farbfoto erschienen. Zwei Lokalsender hatten Live-Berichte ausgestrahlt.
Im folgenden Jahr hatten die Bewohner der südlich angrenzenden Stanton Street und der nördlich gelegenen Ackerman Street die Herausforderung angenommen und Rudolph, das kleine Rentier, beziehungsweise silberne Glocken auf ihre Dächer montiert. Auf sanften Druck von Frohmeyer schließlich hatte ein Komitee des für Grünanlagen und Spielplätze zuständigen Amtes damit begonnen, Preise für die schönste Weihnachtsdekoration zu vergeben.
Vor zwei Jahren war allerdings eine Katastrophe über Hemlock hereingebrochen. Sturmböen hatten die meisten Frostys aus ihrer Verankerung gerissen und im gesamten Stadtviertel verteilt. Frohmeyer jedoch hatte die Nachbarn zusammengetrommelt und erneut eingeschworen, woraufhin im vergangenen Jahr etwas kleinere Ausgaben des Schneemannes die Dächer geziert hatten. Nur zwei Häuser hatten sich nicht daran beteiligt.
Jahr für Jahr war es Frohmeyer, der den Termin für die Auferstehung der Frostys festlegte, und nachdem er nun die Gerüchte um Krank und seine Kreuzfahrt gehört hatte, beschloss er, dass der Tag gekommen war. Nach dem Abendessen tippte er ein kurzes Memo für die Nachbarn (was er mindestens zweimal pro Monat tat), druckte einundvierzig Exemplare aus und schickte seine sechs Kinder damit los. Die Notiz lautete: »An alle Nachbarn — Die Wettervorhersage für morgen ist gut, eine ausgezeichnete Gelegenheit, Frosty wieder aufleben zu lassen. Ruft Marty, Judd oder mich an, wenn ihr Hilfe benötigt — Vic Frohmeyer.«
Ein
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