Das Fest
lächelndes Kind überreichte Luther das Memo.
»Wer war das?«, rief Nora aus der Küche.
»Frohmeyer.«
»Worum geht es?«
»Um Frosty.«
Nora kam ins Wohnzimmer geschlendert, wo Luther das halbe Blatt Papier in der Hand hielt, als handele es sich um eine Berufung zum Geschworenen. Die beiden warfen einander einen bangen Blick zu, dann schüttelte Luther langsam den Kopf.
»Du musst es tun«, sagte sie.
»Nein, das muss ich nicht«, widersprach er energisch und wurde dabei mit jedem Wort wütender. »Das muss ich ganz gewiss nicht! Ich lasse mir nicht von Vic Frohmeyer sagen, dass ich mein Haus weihnachtlich zu dekorieren habe.«
»Es geht doch nur um Frosty.«
»Nein, es geht um viel mehr.«
»Worum denn?«
»Es geht ums Prinzip, Nora. Begreifst du das nicht? Wenn wir Weihnachten vergessen wollen, dann ist das verdammt noch mal unsere eigene Entscheidung, und.«
»Nicht fluchen, Luther.«
»… und niemand, auch nicht Vic Frohmeyer, kann uns daran hindern.« Lauter: »Ich lasse mich zu nichts zwingen!« Luther hob die Faust in Richtung Decke und schwenkte gleichzeitig mit der anderen Hand das Memo. Nora zog sich in die Küche zurück.
5
E in Hemlock-Frosty bestand aus vier Einzelteilen: einem breiten, runden Sockel, einer dicken Kugel, die in den Sockel gesteckt wurde, einer kleineren Kugel für den Oberkörper und dem Kopf mit Hut. Da man jedes Teil im nächstgrößeren verschwinden lassen konnte, stellte die Lagerung in den übrigen elf Monaten des Jahres kein besonderes Problem dar. Und da der Preis für einen Frosty 82,99 Dollar plus Versandkosten betrug, wurden die Schneemänner am Ende der Weihnachtszeit immer sehr sorgfältig weggepackt.
Und wurden nun voller Entzücken wieder hervorgeholt. Den ganzen Nachmittag über wurden in den Garagen entlang der Hemlock Street Frostys abgestaubt und überprüft. Dann wurden sie zusammengebaut, genau wie ein richtiger Schneemann, Kugel auf Kugel, bis sie zwei Meter zehn hoch waren und bereit für das Dach.
Die Montage war keine einfache Sache. Man benötigte eine Leiter, ein Seil und die Hilfe eines Nachbarn. Zuerst musste man mit dem Seil um die Taille auf das Dach klettern und dann den Frosty, der aus Hartplastik bestand und ungefähr vierzig Pfund wog, hochziehen, sehr vorsichtig, damit die Schindeln ihn nicht zerkratzten. Sobald Frosty den Gipfel erreicht hatte, band man ihn am Schornstein fest, mit einem Segeltuchriemen, den Vic Frohmeyer persönlich entwickelt hatte. Danach schraubte man die Zweihundert-Watt-Birne in Frostys Eingeweide und ließ ein Verlängerungskabel an der Rückseite des Hauses hinunter.
Wes Trogdon war Versicherungsmakler und hatte sich krank gemeldet, um als Erster in der Hemlock Street seinen Frosty aufbauen zu können. Er wollte damit seine Kinder überraschen. Kurz nach dem Mittagessen machten er und seine Frau Trish sich an die Arbeit. Sie säuberten den Schneemann, dann erklomm Wes unter Trishs strenger Aufsicht das Dach und rang mit Frosty, bis er die Mission zu einem erfolgreichen Ende geführt hatte. In zwölf Metern Höhe blickte Wes die Straße hinauf und hinunter und war ausgesprochen zufrieden mit sich, weil er allen anderen — einschließlich Frohmeyer — zuvorgekommen war.
Während Trish Kakao kochte, schleppte Wes kistenweise Lichterketten aus dem Keller, breitete sie in der Auffahrt aus und kontrollierte die Glühbirnen und Schalter. Niemand auf der Hemlock Street verteilte mehr Lichterketten als die Trogdons. Sie säumten damit ihren Garten, wickelten sie um die Sträucher, behängten damit die Bäume, zeichneten mit Lichterketten die Umrisse ihres Hauses nach, befestigten sie rings um die Fenster — im Jahr zuvor waren es vierzehntausend Birnen gewesen.
Frohmeyer machte an diesem Tag ein paar Stunden früher Feierabend, um die Aktivitäten in seiner Straße überwachen zu können, und freute sich sehr über das geschäftige Treiben ringsum. Einen Augenblick lang nahm er es Trogdon übel, dass er ihn ausgestochen hatte. Aber war das am Ende wirklich wichtig? Es dauerte nicht lange, bis sich die beiden zusammentaten, um Mrs. Ellen Mulholland zu helfen, einer reizenden Witwe, die bereits Schokoplätzchen backte. Ihr Frosty war im Nu auf dem Dach, und die Plätzchen waren ebenso schnell verschlungen. Dann verabschiedeten sich die Männer, um woanders Hilfe zu leisten. Kinder schlossen sich ihnen an, darunter der zwölf Jahre alte Spike Frohmeyer, der das Organisationstalent seines Vaters sowie dessen Sinn
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