Das Fest
für Gemeinschaftsaktivitäten geerbt hatte. Den ganzen Spätnachmittag über gingen sie mit anderen von Tür zu Tür und beeilten sich, vor Anbruch der Dunkelheit mit allem fertig zu sein.
Spike klingelte auch bei den Kranks an der Haustür, doch niemand öffnete. Mr. Kranks Lexus war nirgends zu sehen, was um fünf Uhr nachmittags allerdings nicht ungewöhnlich war. Aber Mrs. Kranks Audi stand in der offenen Garage, ein sicheres Zeichen dafür, dass sie zu Hause war. Die Vorhänge waren zugezogen, die Jalousien heruntergelassen. Immer noch kam niemand an die Tür, also zog der ganze Trupp weiter zum Haus der Beckers, wo Ned gerade seinen Frosty säuberte, während seine Schwiegermutter ihm von der Vordertreppe aus Anweisungen zublaffte.
»Sie gehen jetzt«, flüsterte Nora im Schlafzimmer in den Telefonhörer.
»Warum flüsterst du?«, fragte Luther mit einiger Erregung.
»Weil ich nicht will, dass sie mich hören.«
»Wer ist es?«
»Vic Frohmeyer, Wes Trogdon, dieser Brixley vom anderen Ende der Straße, glaube ich, und ein paar Kinder.«
»Ein regelrechter Schlägertrupp, was?«
»Eher eine Straßengang. Sie sind gerade bei den Beckers.«
»Gott steh ihnen bei.«
»Wo ist unser Frosty?«
»Immer noch da, wo wir ihn im Januar verstaut haben, nehme ich an. Wieso?«
»Ach, ich weiß nicht.«
»Das ist wirklich seltsam, Nora. Du verriegelst das Haus und flüsterst am Telefon, weil einige unserer Nachbarn von Tür zu Tür gehen, um anderen Nachbarn beim Aufstellen eines albernen, zwei Meter zehn hohen Plastikschneemannes zu helfen, der im Übrigen absolut nichts mit Weihnachten zu tun hat. Hast du schon einmal darüber nachgedacht, Nora?«
»Nein.«
»Außerdem haben wir beide damals für Rudolph, das kleine Rentier gestimmt, erinnerst du dich?«
»Nein.«
»Das ist doch lustig!«
»Darüber kann ich gar nicht lachen.«
»Frosty macht dieses Jahr eine Pause, in Ordnung? Die Antwort ist nein.«
Luther legte behutsam auf und versuchte, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Nach Einbruch der Dunkelheit fuhr er langsam nach Hause und sagte sich immer wieder, dass es lächerlich war, sich von dermaßen trivialen Dingen wie einem Schneemann auf dem Dach aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen. Den gesamten Weg über musste er an Walt Scheel denken.
»Komm schon, Scheel«, murmelte er vor sich hin. »Lass mich nicht im Stich.«
Walt Scheel war Luthers Rivale in der Hemlock Street, ein grantiger Mann, der im Haus direkt gegenüber wohnte. Seine beiden Kinder hatten das College absolviert, seine Frau kämpfte gegen Brustkrebs, er selbst hatte einen mysteriösen Job bei einem belgischen Konzern und lag mit seinem Einkommen im oberen Bereich von Hemlock. Doch gleichgültig, wie viel Scheel verdiente — er und seine bessere Hälfte wollten die Nachbarn glauben machen, dass es noch sehr viel mehr war. Wenn Luther sich einen Lexus kaufte — musste Scheel auch einen haben. Bellington leistete sich einen Swimmingpool — plötzlich musste auch Scheel im eigenen Garten schwimmen können, angeblich auf ärztlichen Rat hin. Sue Kropp am westlichen Ende der Straße ließ ihre Küche mit Designergeräten ausstatten (angeblich für 8.000 Dollar) — sechs Monate später gab Bev Scheel 9.000 Dollar für eine neue Küche aus.
Bev war schon immer eine schlechte Köchin gewesen, aber nach der Renovierung schmeckten die Ergebnisse ihrer Kochkunst Zeugenaussagen zufolge sogar eher noch schlechter.
Die Brustkrebsdiagnose achtzehn Monate zuvor hatte Walt und Bevs Überheblichkeit allerdings einen Dämpfer verpasst. Die Scheels waren tief gefallen. Auf einmal war es nicht mehr wichtig, die Nachbarn ständig zu übertrumpfen, und auch viele andere Dinge verloren ihre Bedeutung. Die beiden ertrugen die Krankheit mit stiller Würde und wurden natürlich von ganz Hemlock Street unterstützt, als wären alle eine große Familie. Ein Jahr nach der ersten Chemotherapie hatte in Walts dubiosem belgischen Konzern eine Umstrukturierung stattgefunden. Was auch immer Walts Job gewesen war — nun verdiente er weniger.
Im vergangenen Jahr waren die Scheels zu verzweifelt gewesen, um ihr Haus weihnachtlich zu dekorieren. Kein Frosty, so gut wie kein Baum, nur ein paar Lichter im Fenster — ein wehmütiger Anklang.
Im Jahr davor waren sogar zwei Häuser in der Hemlock Street ohne Schneemann geblieben — das der Scheels und ein Haus am westlichen Ende, das einem pakistanischen Ehepaar gehörte. Das Paar hatte drei Monate lang darin
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