Das Fest
gewohnt und war dann wieder fortgezogen. Danach hatte das Haus leer gestanden und sollte verkauft werden. Frohmeyer hatte tatsächlich darüber nachgedacht, einen weiteren Frosty zu bestellen und in einer Nacht-und-Nebel-Aktion auf dem Dach des unbewohnten Hauses zu montieren.
»Hör zu, Scheel«, murmelte Luther, während er im Stau stand. »Lass deinen Frosty auch im Keller.«
Vor sechs Jahren, als Frohmeyer die Idee mit den Schneemännern ausgebrütet hatte, war die Sache ja noch originell gewesen. Mittlerweile war sie jedoch einfach nur noch langweilig. Allerdings nicht für die Kinder in der Straße, das musste Luther zugeben. Und als der Sturm vor zwei Jahren die Dächer abgeräumt und die Frostys in der halben Stadt verteilt hatte, hatte sich Luther selbst insgeheim großartig amüsiert.
Er bog in die Hemlock Street ein. So weit er sehen konnte, thronten die gesamte Straße entlang Schneemänner wie leuchtende Wachposten auf den Häusern. Es gab nur zwei Lücken — bei den Scheels und bei den Kranks. »Scheel, ich danke dir«, flüsterte Luther, während Kinder an ihm vorbeiradelten, Nachbarn Lichterketten befestigten und sich über Hecken hinweg miteinander unterhielten.
Luther stellte den Wagen ab und hastete ins Haus, wobei er bemerkte, dass sich einige Leute in Scheels Garage versammelt hatten. Und tatsächlich — wenige Minuten später wurde eine Leiter ans Haus gelehnt, und Frohmeyer kletterte hinauf wie ein altgedienter Dachdecker. Luther spähte durch die Jalousie an seiner Haustür. Walt Scheel stand mit einem Dutzend Nachbarn in seinem Vorgarten und Bev auf der Eingangstreppe, eingehüllt in einen warmen Mantel. Spike Frohmeyer kämpfte gerade mit dem Verlängerungskabel. Geschrei und Gelächter erklang, und während Frohmeyer den vorletzten Frosty der Hemlock Street an seinen Platz hievte, wurden ihm von überall her Anweisungen zugerufen.
Das Abendessen — Nudeln ohne Sauce und Hüttenkäse — verlief sehr schweigsam. Nora hatte schon drei Pfund abgenommen, Luther vier. Nach dem Abwasch stieg er im Keller auf das Laufband und betrieb fünfzig Minuten lang Walking, wobei er 340 Kalorien verbrannte — mehr, als er vorher zu sich genommen hatte. Danach duschte er und versuchte zu lesen.
Als die Luft auf der Straße rein war, trat er zu einem Spaziergang vor die Tür. Er würde sich nicht zum Gefangenen in seinem eigenen Haus machen lassen. Er würde sich nicht vor seinen Nachbarn verstecken. Er brauchte sich vor diesen Leuten nicht zu fürchten.
Doch als er die beiden adretten Reihen von Schneemännern betrachtete, die über der stillen Straße Wache hielten, überkam ihn ein leichtes Schuldgefühl. Die Trogdons schmückten gerade ihren Baum, was in ihm Erinnerungen an Blairs Kindheit und weit zurückliegende Zeiten weckte. Luther neigte nicht zu Nostalgie. Er pflegte immer zu sagen, dass man sein Leben heute lebte, nicht morgen und vor allem nicht gestern. Deshalb wurden auch jetzt die schönen Erinnerungen schnell von Gedanken an Einkaufsstress, Verkehrsstaus und Geldverschwendung verdrängt. Luther war sehr stolz auf seine Entscheidung, das alles in diesem Jahr nicht mitzumachen.
Sein Gürtel saß ein bisschen lockerer. Der Strand wartete schon.
Aus dem Nichts rauschte ein Fahrrad heran und kam rutschend zum Stehen. »Hallo, Mr. Krank.«
Es war Spike Frohmeyer, zweifellos auf dem Nachhauseweg von irgendeinem Geheimtreffen. Der Junge schlief sehr viel weniger als sein Vater, und in der Nachbarschaft kursierten einige Geschichten über Spikes nächtliche Streifzüge. Er war ein netter Junge, aber seine Eltern vergaßen es für gewöhnlich, ihm seine Medikamente zu verabreichen.
»Hallo, Spike«, erwiderte Luther und holte tief Luft. »Was treibt dich denn noch nach draußen?«
»Ich checke nur mal die Lage«, entgegnete er, als sei er der amtliche Nachtwächter.
»Was genau meinst du damit, Spike?«
»Mein Dad hat gesagt, ich soll rüber zur Stanton Street fahren und nachsehen, wie viele Rentiere auf den Dächern sind.«
»Und wie viele sind es?«, heuchelte Luther Interesse.
»Noch gar keine. Wir haben sie wieder mal abgezogen.«
Wahrscheinlich werden die Frohmeyers die ganze Nacht lang ihren Triumph feiern, dachte Luther. Lächerlich.
»Stellen Sie Ihren Frosty auch auf, Mr. Krank?«
»Nein, Spike. Wir fahren dieses Jahr an Weihnachten weg und lassen es sozusagen ausfallen.«
»Ich hab nicht gewusst, dass das überhaupt geht.«
»Dies ist ein freies Land, Spike. Man kann
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