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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Norfolk
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Käselaiben, Beuteln mit Seesalz und Apothekergefäßen voller Konfitüren und Eingemachtem, Eingelegtem und Marinaden bis zum Bersten gefüllt.

    Tagsüber stürzte John sich in die Vorbereitungen. Nachts marschierten lange Reihen von Gerichten vor seinem inneren Auge auf: gedämpfter Fisch, mit Schuppen aus Gurkenscheiben bedeckt, und dampfende Fleischpasteten, mit Wild und Rindfleisch gefüllt, unter goldenen Teighauben. Bebende Puddinge und Kuchen mit Zuckerglasur und Schalen, bis zum Rand mit Syllabub gefüllt. Die Gerichte stiegen die Treppe zu dem großen Saal hinauf und schwebten zu dem hohen Tisch. Dort wartete Lucretia, begleitet von ihrem Bräutigam und in silbrigblaue Seide gekleidet.
    Sie erfreue sich neugefundener Seelenruhe, berichtete Philip John auf dessen Nachfrage. Nichts bereite ihr größeres Vergnügen, als die Vorzüge ihres künftigen Gatten herauszustreichen. Sie habe begonnen, sein Porträt mit Wolle zu sticken.
    Lucretia konnte mit ihrer Sticknadel ebensowenig ein Porträt fertigen, wie sie durch das Nadelöhr hätte schlüpfen können, dachte John. Wie aus dem Nichts stieg ihm der Duft von Rosenwasser und süßen Äpfeln in die Nase.
    Er ertränkte den Duft in den Aromen der Gewürzkammer. Er stand vor dem Herd und ließ die Hitze des Herdfeuers den warmen Duft ihrer Haut vertreiben, bis er sich wie der Rauch des Brennholzes den Kamin hinauf verflüchtigte. Wahnsinn hatte ihn ergriffen, sagte er sich, wenn er sich an den Augenblick in ihrem Gemach erinnerte. Nur Mister Pounceys unerklärliches Erscheinen hatte ihn gerettet. Er dachte an die Lippen, die sich vor seinen Lippen geöffnet hatten. Eine Sekunde länger, ermahnte er sich, und er wäre verloren gewesen.
    Die ersten Rinder wurden geschlachtet und in Mister Underleys Zerwirkkammer aufgehängt. Der Reiherjunge reinigte die Teiche von Laichkraut, damit Netze ausgeworfen werden konnten. In ledrigen Seetang eingewickelte Seefische wurden in Fässern aus Stollport geliefert. Er würde das Gericht bereiten, das er dem König serviert hatte, beschloss John. Diesmal würden Liebesbeweise in dem Teich aus glasklarem Gelee liegen: Ringe, ein Pfeil, ein rotes Herz.
    Die letzten Tage vergingen in beinahe schlafloser Benommenheit.
Als die Erregung in der Küche wuchs, spürte John, wie sein Magen sich verkrampfte, wie er es von anderen Festmählern erinnerte. Der König habe London verlassen und ziehe nach Nottingham, berichtete der Mercurius Bucklandicus . Der Graf von Essex habe den Pöbel gegen ihn aufgehetzt. Oben im Saal hatten die eintreffenden Gäste kaum einen anderen Gesprächsgegenstand, während ihre ungebärdigen Bediensteten im Haushalt ein wahres Chaos stifteten. Es war ein Festmahl wie jedes andere, sagte sich John am Vorabend des Fests. Alles war, wie es sein sollte. Am nächsten Tag würde Lucretia mit Puder und Rouge geschminkt in ihrem silbrigblauen Kleid erscheinen ... Bereit für Piers.
    »Sie berät sich mit Sir William«, ertönte Philips Stimme. »Er hat sie in ihrem Gemach aufgesucht. Das hat Gemma mir eben gesagt.«
    »Sir William?« Es fiel John schwer zu glauben, dass der Herr von Buckland sich die Treppe hinaufbemühte. Oder den Gang entlangging. Und zuletzt an die Tür klopfte.
    »Irgendwas geht vor sich«, antwortete Philip. »Sir Philemon hält Besprechungen im Wintersalon ab. Sie haben einen Boten nach Elminster geschickt.«
    »Und jetzt?«, fragte John. Es war spät. In der Küche herrschte Ruhe. Philip zuckte die Achseln.
    »Vielleicht kommt der König zurück.«
    Zusammen gingen sie durch die Gänge, warfen einen Blick in die Zerwirkkammer und in die Gewürzkammer, und Philip öffnete die Türen von Vorratskammern und Kellern. Alle Räume lagen verlassen; die müden Männer und Jungen der Küchenbrigade schliefen, doch als sie sich der Treppe näherten, stolperte eine vertraute Gestalt die Stufen herunter.
    »Ach, der Küchenjunge«, lallte Piers. Er schwenkte eine Taschenflasche und stank aufdringlich nach Schnaps. In der anderen Hand hielt er einen hölzernen Bierseidel.
    »Koch, Lord Piers«, verbesserte ihn John. Er wechselte einen Blick mit Philip. »Lasst uns Euch hinaufhelfen.«

    »Wo ich heruntergekomen bin, um auf die Braut zu trinken? Hoch die Tassen! Auf all die Gerichte, die Ihr ihr serviert habt.«
    Piers’ Kopf rollte hin und her, aber sein Blick war auf John geheftet. Was mochte sie ihm erzählt haben, fragte sich John. Als Piers Schnaps aus der Taschenflasche in den Seidel zu füllen

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