Das Festmahl des John Saturnall
Safran.
In der Küche wurden Schränke geöffnet und Gefäße gezählt. Hackmesser und Hackbeile wurden Mister Bunce zum Schärfen gegeben. Mörser und Handmühlen wurden auf Risse untersucht. Brotreiben wurden gereinigt, Tiegel poliert. Mister Stone und seine Spüljungen scheuerten Töpfe und Pfannen. John beaufsichtigte alles.
Sie würden Gerichte auftischen, in denen die Vereinigung der zwei Geschlechter versinnbildlicht wäre, sagte John zu Philip. Eine Finesse als Schaugericht sollte aus Zucker sowie allerlei Zutaten geformt werden und das Streben und die heldenhaften Taten Piers’ veranschaulichen.
»Dann sollten wir eine Tasche aus Schweinsohren nähen«, sagte Philip verächtlich. »Und sie mit einem Wackelpudding füllen.«
»Wasser und Rüben«, schlug Adam vor. »Das haben wir gehabt, während er uns in Paris verhöhnt hat.«
»Und Paradiesbrot«, fügte Philip hinzu. »Das dürfen wir ihm nicht vorenthalten.«
Holzscheite stießen in Körben dumpf aneinander. Feuer prasselten in den Herden. Unter dem Gewölbe der Küche wogte eine Wolke aus Aromen. John schlief unruhig, lag auf seiner Bettstatt und starrte zur Zimmerdecke, nichts anderes als das Festmahl im Sinn. Eine Woche vor dem großen Tag wurde an seine Zimmertür geklopft. Einer der neuen Küchenjungen stand in der Tür, ein Binsenlicht in der Hand. John sah nervös auf.
»Eine Dame wünscht Euch zu sprechen, Master Saturnall.«
Für einen Augenblick tat sein Herz einen Sprung. Aber Lucretia würde sich hier unten kaum vor Dritten zeigen.
»Bring sie herein«, sagte er zu dem Jungen. Wenige Minuten später kam eine füllige Gestalt den Gang entlang. Sie betrat das Zimmer, nickte John zu und ließ sich in den bequemsten Sessel am Feuer sinken.
»Jeder von uns hat seine Geheimnisse, Master Saturnall«, sagte Mistress Gardiner. »Ist es nicht so?«
John nickte verblüfft.
»Ich dachte mir, es sei an der Zeit, Susan Sandalls Sohn einmal zu besuchen«, sagte sie. »Nachdem Master Scovell uns verlassen hat.«
Er sah sie im Licht des Feuers an und versuchte den Grund ihres Besuchs zu erraten.
»Richard Scovell war nicht der, den sie liebte«, sagte Mistress Gardiner unversehens. »Das habt Ihr geahnt, oder?«
Er nickte; seine Gedanken wirbelten durcheinander, während er sich an das Gespräch erinnerte, das er in diesem Raum mitangehört hatte. Nein, Scovell konnte es nicht gewesen sein.
»Almery«, sagte er. »Charles Almery.«
»Die Elster«, sagte Mistress Gardiner. »Er war ein dunkler Geselle. Nicht einmal Master Scovell konnte ihn ergründen, so wenig, wie er in das Herz Eurer Ma sehen konnte oder wie ich durch diese Wand zu sehen vermöchte.«
Ihr Blick wanderte zu der niedrigen Tür, die das Gemach mit dem Nachbarzimmer verband.
»Aber Ihr sagtet, sie hätten gestritten, sie und Almery ...«
»Jeder von uns hat seine Geheimnisse«, sagte Mistress Gardiner. »Wer die beiden sah, hätte gedacht, sie könne ihn nicht leiden. Ich hätte nie etwas anderes vermutet. Ich habe ihr Geheimnis nicht erraten. Nicht, bis Ihr kamt.« Sie sah John an. »Wenn ich Euch nun sehe, ist mir, als sähe ich ihn vor mir.«
John starrte zurück. »Er ist mein Vater?«
Mistress Gardiner zuckte die Achseln. »Almery war ein schöner Mann. Und er sprach in jeder Zunge unter der Sonne.«
»Und sagte in keiner die Wahrheit«, murmelte John.
»So ist es«, stimmte ihm Mistress Gardiner zu. »Eure Ma wusste es auch. Und sie besaß ein Buch, das sie immer bei sich hatte. Charles Almery konnte es lesen.«
John erinnerte sich an die Worte seiner Mutter.
»Jeder hatte etwas, was der andere sich wünschte, und keiner konnte seinem Verlangen widerstehen. Und in der Nacht, in der Lady Anne starb, hat Eure Mutter ihn hier unten ertappt. Und dann kam Scovell und ertappte beide ...«
»Scovell hat gesagt, Sir William habe sie weggejagt.«
»O nein. So etwas hätte Sir William niemals getan. Es war fast, als hätte er sich vor ihr gefürchtet. Er hatte sie aus dem Tal holen lassen.«
John runzelte die Stirn. »Wie konnte Sir William von meiner Mutter wissen?«
Mistress Gardiner zuckte wieder die Achseln. »Das weiß ich nicht. Aber dies weiß ich. Eure Mutter war von Leidenschaft überwältigt. Und jemand anders auch, und er hat sie mit seiner Leidenschaft angesteckt. Und keiner hat das bekommen, was er sich ersehnt hat. Versteht Ihr, was ich sagen will, John Sandall?«
Sie sprach von Lucretia, begriff er. Deshalb war sie gekommen. Mistress Gardiner sah
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