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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Norfolk
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überragte sie. Eine Gestalt mit einer Axt in der einen und einer Fackel in der anderen Hand. Sie zerschlug die Tische.
    »Er schwor Gott einen Eid«, sagte Lucretia. »Er schwor ihn vor Jehovas Priestern, wie du es mir erzählt hast, John. Er gelobte, das Tal für Christus zurückzuerobern. Und deshalb zerstörte er ihre Gärten und vertrieb ihr Volk. Er zerschlug ihre Tische und stahl das Feuer aus ihren Herden.«

    Auf dem letzten Wandbild floh Coldcloak von der Stätte seines Wütens. John sah die bitteren Tränen, die er weinte. Doch unter den Armen trug er Bäume und Büsche. Und in den Händen hielt er immer noch die brennende Fackel und die Axt.
    »Er brachte sie her«, sagte Lucretia. »Er hat sie gestohlen. Es gab kein wundergleiches Feuer hier in Buckland. Und keinen Gewürzwein ...«
    Die alte Steinskulptur saß an ihrem Tisch. Das also war Coldcloak, dachte John, der in die leeren Augen starrte. Später Callock. Und danach Fremantle. Wie Piers behauptet hatte. Als Lucretia schweigend neben ihrem Vorfahren stand, entsann sich John, wie der verschlossene Ausdruck auf ihre Miene getreten war, als er ihr Belliccas Geschichte erzählte.
    »Du hast es gewusst«, sagte er langsam. »Du hast es die ganze Zeit gewusst.«
    »Ja.«
    »Aber du hast nichts gesagt.«
    Er wartete auf eine Antwort. Eine Erklärung. Es würde einen Grund für ihr Schweigen geben. Etwas, was ihre Lippen versiegelt hatte, als sie zusammen in dem Gemach lagen. Er würde ihr verzeihen können, sagte er sich. Doch sie stand in dem Schatten, so schweigsam wie ihr Vorfahre. Tief in seinem Inneren spürte John die alte Glut erwachen.
    »Warum?«, fragte er.
    Sie beobachtete ihn durch ihre Maske aus Puder. Angesichts ihres Schweigens spürte er seinen Zorn aufflammen.
    »Du hast mich belogen«, sagte er erbittert. »Dein Schweigen war Lüge. Du und die Deinen. Ihr habt uns das Fest gestohlen. Ihr habt das ganze Tal gestohlen ...«
    Seine Augen hefteten sich auf Lucretias gepudertes Gesicht und ihre rotgeschminkten Lippen. Er roch das schwere Parfum, mit dem sie sich wie eine Dirne betupft hatte. Dies war ihr wahres Gesicht, dachte er bitter. Diese gepuderte Maske. Aber sie würde ihm antworten müssen, sagte er sich. Er würde sie dazu zwingen. Als er den Arm nach ihr ausstreckte, hob Lucretia die Hände. Um ihn abzuwehren, wie er
annahm. Doch stattdessen berührte sie ihn und nahm sein Gesicht in ihre Hände.
    »Das ist deine Antwort«, flüsterte sie. »Das wolltest du doch, nicht wahr? Nimm es dir.«
    Der aufdringliche Duft stieg ihm in die Nase. Er spürte ihre hitzige Erregung durch den Stoff ihres Kleids. Sie öffnete die Beine. Bevor er fragen oder widersprechen konnte, brachten ihre Lippen ihn zum Schweigen.

Aus Das Buch des John Saturnall: Ein Festmahl für die Vereinigung zweier Geschlechter , so einstmals entzweit und zuletzt wieder zusammengeführt, nämlich der Fremantle und der Callock , serviert im Jahre der Wiedereinsetzung unserer Monarchie.
    ur jene, die sich an lange Zurückliegendes erinnern, werden sich der Eheschließung zwischen Piers Callock, Lord von Forham und von Artois, und Lady Lucretia Fremantle im ersten Jahr der Regierungszeit unseres zweiten Königs Charles entsinnen. Und wenigere noch als jene entsinnen sich des seligen Lord Forham selbst. Doch täglich gedenken wir seiner in unserem Sprachgebrauch. Wenn wir einen Gegenstand als aufgeblähte Redeweise betrachten oder als mit unnötigen Verwickelungen befrachtet, sodass viel Aufwand mit wenig Sinn und Verstand betrieben wird, dann nennen wir dergleichen eine »Finesse à la Callock«, denn dies war das Motto, das ich für das Hochzeitsmahl dieses Edelmannes ersann.
    Den Gegenstand meines Mottos, welches aus Teig beschaffen und mit Tragant zusammengeklebt war, bildete eine Heldentat, bekannt als »Callocks Sprung«. Einer Ziege kam die Rolle des Pferdes unseres Lord von Forham zu, und Wackelpuddinge und bibbernde Gelees
bezeigten den Schrecken, den der selige Herr unseres Tals von Buckland seinen Gegnern einzuflößen wusste. Ein Steinschlossgewehr aus Marzipan feuerte eine Kugel aus Hackfleisch ab. Eine geräumige Tasche, aus Schweinsohren zusammengenäht und mit gewürztem Kohl gefüllt, ähnelte, wie seinerzeit jemand zu bemerken geruhte, einem dicken Hinterteil. In ihr steckte ein Dolch, aus einer Rübe geschnitzt. Darum herum war der berühmte Schlachtruf des Lord von Forham angebracht: »Für Gott und für Königin Mary«.
    Von den Torten und Pasteten, die

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