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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Norfolk
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ausdruckslos an. Die Packpferde schnaubten und schüttelten die Köpfe. Als die Sonne sich neigte, bog Josh auf einen Nebenweg ab. Zweige knackten unter den Pferdehufen. Durch die Bäume erspähte Ben eingefallene Mauern. Josh gesellte sich zu ihm.
    »Dort können wir es tun.«
    Ben betrachtete eine von Efeu bedeckte Säule, die in Stücke zerbrochen war. Herabgefallenes Mauerwerk lag verstreut auf dem Boden. Etwas weiter weg hörte er Wasser plätschern. Josh deutete an einem flachen breiten Stein vorbei auf eine ummauerte Feuerstelle, mannshoch, von altem Ruß geschwärzt.
    »Du machst Feuer«, sagte Josh. »Dann nehmen wir ihn uns vor.«
    Der Junge war vom Maultier gestiegen und stand auf der Lichtung. Die Pferde wurden von ihren Lasten befreit und an den Vorderbeinen gefesselt. Josh führte John in den Hof. Der Junge ließ sich auf den Stein setzen, ohne sich zu wehren. Josh trat hinter ihn und ergriff sein Messer. Er prüfte die Schärfe der Klinge und beugte den Kopf des Jungen. Dann schritt er zur Tat.
    Als es vollbracht war, trat Josh einen Schritt zurück und blies die Backen auf. »Hätte nie gedacht, dass so was so schwere Arbeit ist«, erklärte er.
    »Du hast es gut gemacht«, sagte Ben ernst.
    »Jetzt besser, wie?«, fragte Josh.
    »Viel besser«, stimmte Ben ihm zu.
    Knäuel verfilzten schwarzen Haars bedeckten den Boden um den Jungen herum. Einzelne Büschel standen bizarr von seinem Kopf ab.
    »Das waren die Läuse«, sagte Josh zufrieden. »Hoffen wir, dass er nichts Ärgeres hat.«
    »Ärgeres?« Ben riss die Augen auf. »Was denn?«
    »Das, was die ganzen Kinder weggerafft hat.«

    Flackernde Binsenlichter färbten die Kirchenwände gelb. Öliger Rauch kräuselte sich zum Dach empor. Die letzten Kerzen hatten am Tag der Kreuzerhöhung gebrannt, erinnerte sich Pater Hole, zwei Wochen nachdem Abel Starling erkrankt war. Das schien inzwischen eine Ewigkeit her zu sein. Entblößte Köpfe und Köpfe unter Hauben füllten die Kirchenbänke von St. Clodock’s. Und vorne knieten die Büßer auf dem nackten Boden.
    Heute Abend hatte sich mehr als ein Dutzend eingefunden, Männer und Frauen, in dünne weiße Laken gehüllt. Sie hielten lange Haselstecken und rutschten mit nackten Knien auf den harten Fliesen hin und her. Pater Hole sah sie grimassieren und sich unbehaglich bewegen, die Laken an die Brust gepresst. Für den Fall, dass sie sich von der Stelle rührten, hielt Jim Cloughs Bruder Aaron mit seinem Stock hinter ihnen Wache.
    Nach den ersten Todesfällen hatte Pater Hole aus den Römerbriefen gepredigt.
    Wir rühmen uns auch der Bedrängnisse, weil wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt.
    Strenge Worte. Doch das letzte Sandkorn war kaum gefallen, als Mercy Starling sich aus ihrer Kirchenbank erhoben hatte.
    »Geduld, Pater? Unsere Kinder müssen nicht kotzen, weil es ihnen an Geduld mangelt.« Sie hatte ihren Blick durch die Kirche wandern lassen. »Oder, Meg? Jetzt machst du dich nicht mehr über mich lustig, nicht wahr? Oder du, Rose. Oder du ...«
    Ihr Zeigefinger war anklagend vorgeschnellt, und die Bibelschüler hatten sich um sie herum erhoben. Dann hatte schrecklicher Lärm die Kirche erfüllt, anklagende Stimmen und abscheuliche Flüche. Er hätte zu ihnen hinabsteigen müssen, sagte sich Pater Hole. Er hätte sich unter sie mischen müssen wie in der Nacht des Bierfests, als er Kopfnüsse und Backpfeifen ausgeteilt hatte. Aber der Lärm, der im Kirchenschiff widerhallte, hatte ihn verwirrt, bis zuletzt eine Stimme das Getöse übertönte.
    »Wer wagt es, das Haus Gottes mit Flüchen zu entweihen!«

    Timothy Marpot war das Kirchenschiff entlanggekommen.
    »Gott prüfte Adam mit Eva. Mit seinem eigenen Weib. Und nun prüft er uns.«
    »Und wie will er das anstellen, Bruder Tim?«, hatte ihn eine trotzige Stimme aus dem Kreis der Dörfler gefragt. Leises Kichern war ertönt. Doch Marpot hatte seine Bibel erhoben.
    »Mein Name ist Timothy«, hatte er gerufen und den Blick seiner blauen Augen auf ihre Gesichter geheftet, »und Timothy heißt: Fürchte Gott. Und ich fürchte nur Gott. Gott prüft uns, wie er es schon einmal tat. Mit einer Hexe.«
    Schweigen trat ein. Pater Hole sah von der Kanzel aus zu.
    »Wir lassen uns von unserem Glauben leiten«, erklärte der Aufseher. »Wenn die Hexe unter uns wandelt, werden wir sie finden. Wir werden die Gewissen erforschen.« Dann hatte er den Blick zur Kanzel gerichtet. »Das heißt, falls Pater Hole es gestattet.«
    Und so hatten die Verhöre

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