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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Norfolk
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knarrenden Ledergurten. Gegen Mittag bog Josh von der Straße ab.
    »Das gehört alles Sir William«, sagte der Treiber, reichte Ben einen Kanten Brot und warf auch dem Jungen einen zu. »Er könnte vom Gutshaus bis nach Soughton gehen, ohne den Fuß auf fremdes Land zu setzen. Hat mir sein Verwalter erzählt.«
    »Dein Freund Pouncey, stimmt’s?«

    »Freund würde ich nicht sagen.«
    Ben blickte zurück. Die Berge waren ein Schmutzfleck in der Ferne. Der Junge grub die Zähne in seinen Brotkanten, darüber gebeugt wie ein Tier.
    »Hat er schon was gesagt?«, fragte Josh.
    Ben schüttelte den Kopf. »Und was ist, wenn sie ihn nicht nehmen?«
    Josh zuckte die Achseln. »Dann muss er ins Armenhaus.«
    Sie machten sich wieder auf, Josh mit großen Schritten vor seinen Tieren, die Zügel der gescheckten Stute locker in der Hand. Ben ging wieder neben dem Maultier.
    »Ich war damals ein bisschen älter als du«, erzählte er weiter. »Kam zu einem Mann namens Fessler in die Lehre. Litzen und Borten. Ab und zu Klöppelspitze. Das war sein Gewerbe. Ich hab die Warenverzeichnisse geführt. Aber ein anderer Bursche hatte ein Auge auf meine Stelle geworfen. Nahum Broadwick nannte er sich. Ein Bösewicht, wie er im Buche steht. Zuerst war mir das nicht klar ...«
    Der Weg führte bergab. Die gescheckte Stute ging schneller, begierig, in den Schatten von Charlcombe Wood zu gelangen. Joshs schwerer Stock steckte zwischen den Kisten auf dem Braunen. Der Treiber zog ihn heraus und schwenkte ihn einige Male über seinem Kopf.
    »Fessler verstand sich auf die Warenverzeichnisse besser als ein Jude auf das Omer-Zählen«, fuhr Ben fort. »Aber einen Judas konnte er von einem Petrus nicht unterscheiden. Denn nichts anderes war dieser Nahum Broadwick. Ein Judas, will ich sagen, nicht ein Petrus ...«
    Die Kastanien schlossen sich über ihnen. Ben redete weiter. Der Junge würde den Mund nicht aufmachen. Aber das ging ihn nichts an. Und das Schweigen des Jungen machte es Ben leichter, die Geschichte Nahum Broadwicks und seiner eigenen Entlassung zu erzählen.
    »Nahum log also, was das Zeug hält. Was hätte ich darauf sagen sollen? Fessler hätte mir so wenig geglaubt, wie er geglaubt hätte, König Charles wollte die Tochter des Königs von Spanien heiraten. Ich wurde vor die Tür gesetzt und besaß vier Shilling und neun Pence. Da bin ich erstmal in den Dog gegangen, um mir einen zu genehmigen, und da ist
dieser Bursche aufgetaucht. Sah dir ähnlicher als mir. Eine Spur von Signor Hispaniolas, falls du verstehst, was ich meine. Jedenfalls hatte er etwas bei sich, was er zum Gutshaus von Buckland bringen lassen wollte, zu einem Mann namens Scovell ...«
    Das Schweigen des Jungen war so steinern, wie der Weg steinig war. Dieser Pouncey würde sie sofort wegjagen, dachte Ben. Er würde John Sandall ins Armenhaus schicken. Und das wär’s dann gewesen.
    »Hoppla!«, rief Josh. Ein Kaninchen war unter den Pferdehufen aufgesprungen. Der Treiber wirbelte seinen schweren Stock herum, und Ben hörte einen dumpfen Schlag. Er sah zu, wie der Treiber das tote Kaninchen aufhob, doch dann erregte der Junge seine Aufmerksamkeit.
    John Sandall blickte in die Bäume hinauf. Die massigen Kastanienstämme erhoben sich über knorrigen Wurzeln, die Rinde voll tiefer Furchen und Einkerbungen. Die obersten Zweige bebten sachte im Wind. Der Blick des Jungen folgte ihren Bewegungen.
    »Was suchst du da oben?«, fragte Ben leise. Aber der Junge ließ nur den Blick durch den Wald schweifen, an Ästen und Zweigen entlang, die sich berührten und miteinander verwoben. Dann senkte er den Blick.
    »Er ist ein komischer Kauz«, sagte Ben zu Josh.
    »Noch immer nichts?«, fragte der Treiber.
    Ben schüttelte den Kopf, und Josh seufzte vernehmlich. Dann flüsterte er leise und eindringlich. Ben hörte aufmerksam zu, als der Treiber ihm sein Vorhaben erläuterte.
    »Heute Nacht«, flüsterte Josh. »Sonst kriegen wir ihn nie los.«
    Beide Männer sahen zu dem Jungen zurück.
    »In Ordnung«, stimmte Ben zu.
    Er ließ sich zurückfallen und widmete sich mit neuer Energie seiner Geschichte, berichtete, wie er am Rand der Tiefebene, am Fuß der Bergkette entlanggewandert war.
    »Das ist ein recht ödes Stück Land, John, meiner Treu, das ist es. Selbst dieser Zoyland Tor. Es heißt, Jesus Christus soll dort zusammen mit Joseph von Arimathia vorbeigekommen sein. Ha, da kann ich nur sagen, lange sind sie dort sicher nicht geblieben ...«

    Der Junge sah ihn

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