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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Norfolk
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plätschernden Viehtränke nieder.
    »Meine Ma sagt, Mercy Starling wäre schon vor Jahren verrückt geworden«, erklärte Dando.
    »Meine sagt, dass es mit Jake nicht viel besser steht«, fügte Seth hinzu.
    Sie blickten den Weg entlang, als könnten sie durch Holunder und Weißdorn bis zu dem weißgetünchten Häuschen sehen.
    »Habt ihr gehört, was mit Maddy Oddbone geschehen ist?«, fragte Dando. »In Marpots Bibelstunde ist sie ausgelaufen. Und sie durfte erst am Abend gehen.«

    »Oder die alte Connie Cullender«, sagte Tobit mit hämischem Grinsen. »Aaron Clough hat versprochen, sie würden sie nicht zu hart anpacken. Und dann haben sie sie nackig ausgezogen, und sie musste einen halben Tag lang auf dem Boden knien ...«
    »Nackig?«, fragte Dando. »Connie Cullender?«
    John erinnerte sich an die alte Frau, die ihm vor der Kirche etwas zuflüsterte. Es fiel ihm schwer, sie sich nackt vorzustellen.
    »Ephraim hat es gesehen«, bekräftigte Tobit.
    John und Seth wechselten einen Blick. Doch bevor sie fragen konnten, wie es kam, dass Tobit mit Ephraim sprach, erklang ein leiser hoher Ton den Weg entlang, wurde allmählich lauter, schwoll an und schwebte. Eine helle klare Stimme formte die Strophen. John lauschte andächtig. Tobit verdrehte die Augen.
    »Da ist sie schon wieder.«
    Cassie sang jeden Nachmittag Psalmen. Manchmal sang sie auch abends. Dann wanderte John über die Wiese oberhalb des Häuschens der Starlings, näherte sich vorsichtig und legte sich ins Gras, damit Mercy ihn nicht sah.
    »Sie tut nichts als singen«, sagte Seth.
    »Sie betet«, sagte John. »Für Abel.«
    Schließlich verstummte Cassies Stimme. Die Jungen starrten auf ihre Füße, die Erwähnung von Abels Namen ließ sie schweigen.
    »Ephraim hat verlangt, dass ich mich ihm anschließe«, sagte Seth unvermittelt.
    »Hast du zugesagt?«, fragte Dando.
    Seth schüttelte den Kopf. »Ich will mit denen nix zu tun haben.«
    »Ich auch nicht«, sagte Tobit.
    »Keiner von uns«, sagte Dando. »Oder, John?«
    John schüttelte den Kopf.
     
    Zuerst blieb Tobit weg. Seth, Dando und John saßen auf dem Rand der Viehtränke, hielten die Finger in das kalte Wasser und erwogen seinen Verrat.

    »Ich hab was über Marpot gehört«, bot Dando als Trost an. »Meg Riverett hat es meiner Ma erzählt. Er ist auf der Flucht.«
    »Marpot?«, fragte John. »Und wieso?« Er entsann sich des bösartigen Blicks des Mannes, als er Abel zum letzten Mal gesehen hatte. Bei strömendem Regen.
    »Der Bischof hat ihm den Prozess gemacht«, fuhr Dando fort. »Draußen in Zoyland hat er eine Frau nackt herumtanzen lassen. Und sie danach halb totgeschlagen.«
    »Warum hat er das getan?«, fragte Seth.
    »Weiß ich nicht.«
    Sie schüttelten den Kopf über das unbegreifliche Tun der Erwachsenen.
    »Aber was ist, wenn er doch recht hat?«, fragte Dando. »Was ist, wenn es eine Hexe gibt?«
    »Und wieso können sie sie dann nicht finden?«, fragte Seth.
    »Sie haben ja noch nicht jeden überprüft, oder?«, sagte Dando. »Bei den Huxtables waren sie noch nicht.«
    »Das würde Marpot sich nicht trauen.«
    »Hier oben waren sie auch noch nicht«, sagte Seth mit einem schnellen Blick zu John. »Ich sag ja nicht, dass sie hier eine finden würden oder so.«
    John nickte und sah wieder auf die Wiese. Ephraim Cloughs Vater und seine Verbündeten stapften nach eigenem Gutdünken im Dorf herum und schlugen laut gegen die Türen. Die Vorstellung, seine Mutter aus ihrer Hütte gezerrt zu sehen, ließ ihn schaudern. Was wollte er tun, wenn sie sie wie Connie Cullender nackt auszogen? Oder sie im Spießrutenlauf zur Kirche jagten?
    Dando fehlte als Nächster. John und Seth wechselten unbehagliche Kommentare. Und irgendwann erstarb das hilflose Gerede. Cassies Singen war fast eine Erleichterung.
    »Ephraim hat nur geprahlt«, sagte Seth, als sie zu singen aufhörte. »Hat behauptet, sein Pa würde deine Ma ausforschen. Würde sie prüfen.«

    »Prüfen? Und wie?« Er bemühte sich um einen ruhigen Ton.
    »Weiß ich nicht«, sagte Seth. Er hielt den Blick auf den Boden gerichtet. »Das ist nur, was ich gehört hab.« Er stand auf und schickte sich an, durch die Hecke zurückzuschlüpfen. »Ich geh mal besser.«
    »Bis morgen«, sagte John. Doch die Büsche hatten sich schon hinter Seth geschlossen. Am Tag darauf wartete John vergebens.
    Er begann seine Tage am Berghang zu verbringen. Wenn er die Terrassen auf und ab wanderte, hörte er Marpots Handglocke und sah die Reihen dunkel

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