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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Norfolk
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näher kam, sah er, wie unsicher sie sich bewegte. Ihre Beine vollführten beim Gehen absonderliche Schlenker. Unversehens stolperte sie und stürzte. John ließ den Krug fallen und lief hin, reichte dem Mädchen die Hand. Doch dann wich er zurück.
    Cassie sah aus, als wäre sie am ganzen Körper zerkratzt. Lange rote Striemen zeichneten ihre Gliedmaßen. Ihr wollenes Kleid hing ihr in Fetzen am Körper. Hände und Unterarme waren blutverschmiert. Offenbar hatte sie versucht, mit den Händen ihr Gesicht zu schützen.
    »Cassie?«, fragte er leise.
    »Ich weiß, wer die Hexe ist.«
    Im Dämmerlicht waren ihre blauen Augen fast schwarz.
    »Komm mit«, sagte er. »Meine Ma wird dir helfen.«
    Doch sie schüttelte abwehrend den Kopf und richtete sich unbeholfen auf. »Ich hab gesehen, wie sie dort oben hingegangen ist.« Cassie blickte den Abhang hinauf bis zu der dunklen Baumlinie.
    »Aber da gibt es kein Durchkommen«, erwiderte John. »Nichts als Dornen, weißt du noch?«
    »Das macht ihr nichts aus.«

    Das Mädchen stand vor ihm in seinem zerfetzten Kleid. »Ich hab es dir gesagt, John. Hexen bluten nicht.«
    John begann sich der Magen umzudrehen. Vom Dorfanger unten hörte er die Handglocke. Schwache Rufe antworteten dem Geklingel.
    »Gott hat dich geschickt, damit du mir hilfst«, sagte Cassie, die durch das Gras stolperte. »Du hast mich zu ihr geführt, John.«
    »Cassie, warte«, flehte er. Doch oben auf der Terrasse lief das Mädchen los. Beide liefen und purzelten den Abhang hinunter. Als John neben der Viehtränke auf die Beine kam, hörte er eine wohlbekannte Stimme.
    »Hast dir Zeit gelassen, John.«
    Ephraim Clough trat aus der Hecke. John richtete sich auf und beäugte den älteren Jungen. Ephraim warf einen Blick auf Cassie.
    »Was hast du ihr angetan, Hexensohn?« Er wendete sich zum Zwei-Morgen-Feld um und rief: »Ich hab sie gefunden! Hierher!«
    John wurde zunehmend übler, ein vertrautes und unerwünschtes Gefühl. Doch daneben loderte neuer Zorn in ihm auf. Er musterte die gerunzelte Stirn des Jungen, seine dicken Backen und sein grobknochiges Gesicht. Mit einem Schrei sprang John vor; sein erster Schlag traf Ephraim oben am Schädel, bescherte John schmerzende Knöchel und entlockte dem anderen nicht mehr als ein überraschtes Grunzen. Doch der zweite Schwinger hatte das Knirschen von Knorpel zur Folge, als Johns Faust auf Ephraims Nase traf. Ephraim schrie auf und hielt sich die Hände vors Gesicht. Schwindelerregende Sorglosigkeit erfasste John. Er rang seinen Gegner nieder, rollte mit Ephraim über den Weg, krallte ihn, schlug nach ihm, trat nach ihm. Ephraim war größer und stärker, aber Johns Erbitterung schien ihm ungeahnte Kräfte zu verleihen. Aus dem Augenwinkel sah er Cassie davonstolpern. Er hörte die Handglocke. Er schlug zu, immer wieder, als spürte er Ephraims Schläge nicht. Schließlich drückte er seinen Gegner zu Boden und hielt ihn an beiden Armen fest. Aus Ephraims Nase floss Blut.
    »Mach nur weiter, Hexensohn«, sagte Ephraim trotzig. »Wir werden deine Ma zum Singen bringen.«

    Diese Worte versetzten John in noch größere Wut. Er hob den Arm. Er würde dem anderen so fest ins Gesicht schlagen, wie er nur konnte. Auf ihn einschlagen, bis er den Mund hielt. Doch als er zum ersten Schlag ausholte, ergriff ihn eine Hand an der Schulter. Er wurde weggerissen. Ein zornentbranntes Gesicht starrte ihn an.
    »Wo hast du gesteckt?«, flüsterte seine Mutter heiser. »John, komm! Beeil dich!«
     
    Sie liefen wieder, rannten, so schnell sie konnten, während das hohe Gras ihre Beine peitschte, rannten über die dunkle Wiese und auf die erste Böschung zu. Wieder hing der ölige Rauch von Talglichtern in der Nachtluft, wieder mischte sich das Klappern von Töpfen und Pfannen mit dem Grölen der Dörfler. Wieder hörte John den Atem seiner Mutter in ihrer Kehle rasseln. Mit rudernden Armen erklommen sie den ersten Abhang, die schwere Tasche schaukelte zwischen ihnen hin und her. Dann die nächste und die übernächste Böschung hinauf, in wilder, verzweifelter Flucht. Erst als die gespenstischen Polster aus Stechginster und Buschwerk sie umschlossen, blickten sie zurück.
    Flackernde Lichter woben einen feurigen Ring um ihre Hütte. Alle Dörfler hatten sich eingefunden. Und als John und seine Mutter hinsahen, wurde die erste Fackel geworfen, drehte sich in der Luft und beschrieb einen flammenden Bogen durch die Dunkelheit, bevor sie auf dem Dach ihrer Hütte auftraf. Die

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