Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Norfolk
Vom Netzwerk:
sich dem Wald hinter ihr zu. Doch als John sich anschickte, ihr zu folgen, fiel ihm ein Blinken auf.

    Es kam von dem Haus in der Ferne. Es blinkte abermals. Und dann wieder und wieder. Fenster wurden geöffnet, erkannte John. Das Sonnenlicht wurde von den Fensterscheiben zurückgeworfen. Er stand am Berghang und betrachtete die Lichter, die wie Signale das ganze Tal entlang blitzten. Dann drehte er sich um und folgte seiner Mutter in Bucclas Wald.

Aus Das Buch des John Saturnall : Betreffend ein Gericht, welches heißt ein Schaumbrötchen aus gehacktem Wildgeflügel.
    in wahres Festmahl besteht zu Teilen aus Geheimnissen, welche bisweilen leicht zu erraten sind und in anderen Fällen unergründlich. Seine Gerichte sprechen in Zungen, die dem Gelehrten Rätsel aufgeben können, wiewohl ein gewöhnlicher Koch sie alle zu deuten wissen muss. Und da die Luft ein Garten ist, wie Saturnus lehrte, muss ein Koch die Baumwipfel neu benennen als Beete, und ihre Pflanzgefäße sind Nester, darin Vögel und Geflügel sich in staunenswerter Vielfalt mästen und gedeihen. Und um die Ernte des Gartens zu feiern, muss er seine Kunst anwenden, wie ich es nunmehr darlegen werde.
    Man nehme die Vögel und richte einen jeden zu, wie es ihm gebührt. Man öffne die Stockente, richte die Gans auf, hebe den Schwan an, zerlege den Reiher, entbeine die Rohrdommel, klopfe den Kranich flach, verfahre milde mit dem Fasan, zerwirke das Rebhuhn, entferne die Beine von einer Taube und einer Waldschnepfe und lasse zwei Feigenfresser unversehrt. Man rupfe sie und nehme sie aus und brate sie, bis die Haut sich golden färbt. Man nehme das abgekühlte Fleisch bis auf das der Feigenfresser, zerpflücke es zu Strähnen von der Dicke eines Bindfadens,
hacke es fein und würze es mit Kreuzkümmel und Safran. Man nehme Eiweiß mehrerer Eier und schlage es bis zur Luftigkeit von Wolken. Dann hülle man die Fleischmischung in das Eiweiß.
    Man passe eine Kuchenform in einen Topf ein und setze ihn über Wasserdampf. Man gebe die Pasteten hinein, eine von der anderen abgesondert mittels dicken Papiers, mit Butter eingerieben, die größeren Vögel am Außenrand und die kleineren weiter innen. Die Feigenfresser setze man in die Mitte. Man lasse all diese Füllungen im Dampfe garen, man habe ein Auge auf sie, und man entferne zuletzt das Papier, eine Schicht nach der anderen. Wenn alles gebacken und gegart ist, löse man die Kuchenform von dem Topf, und man entnehme die gegarte Pastete aus gehacktem Fleisch. Man schneide sie auf, um die Schichten in ihrem Inneren zu enthüllen, rot und gelb gefärbt. Man serviere sie auf Brotfladen oder eleganten Tellern, ganz wie es beliebt.

    DAS PROTOKOLL WAR UNKOMPLIZIERT, wie Lady Lucretia sich in Erinnerung rief. Und schließlich hatte sie die Zeremonie so manches Mal geprobt.
    Im Audienzsaal durften Damen edler Geburt sich Ihrer Majestät nähern. Sprechen durften sie jedoch nur auf Aufforderung. In dem Privatkabinett hinter dem Saal war den privilegierten Hofdamen Ihrer Majestät eine Begrüßung erlaubt, doch wehe dem Höfling, der sich erdreistete, eine Bemerkung zu machen. Hinter diesem Zimmer lag das Boudoir, in dem andere Regeln galten. Denn dort durften die Lieblingshofdamen Ihrer Majestät ohne ausdrückliche Aufforderung sprechen, ein Vorrecht, das eigentlich, wie Lady Lucretia sich ins Gedächtnis rief, nur den Ehefrauen und den Mätressen zu Besuch weilender Könige zustand. Geflüster und Vertraulichkeiten sollten das Boudoir beleben. Klatsch und Ratschläge in seiner Luft schwirren. Doch auch das Boudoir war nicht das innerste Privatgemach. Am Ende dieser von Stimmen erfüllten Kapsel befand sich die Tür zu dem eigentlichen Schlafgemach.
    Außer den Damen aus dem Kabinett der Königin hatte dort niemand Zutritt, und nur eine ganz bestimmte Dame durfte neben Ihrer Majestät sitzen, durfte mit Ihrer Majestät so vertraulich verkehren, wie sie wollte, und wurde von Ihrer Majestät allen anderen vorgezogen, nämlich die Dame vom Fußschemel.
    Das war Lady Lucretia.
    Und deshalb ergriff Lady Lucretia nach dem Morgengottesdienst in der Kapelle die weiche Hand Ihrer Majestät und führte sie schnell davon, ohne dem vertrauten Zwicken in ihrem Magen Beachtung zu schenken.
    »Kommt schnell«, drängte sie Ihre Majestät, als die beiden durch die Menge der Andächtigen schlüpften. Der Dame vom Fußschemel war es erlaubt, die Königin zu drängen. Und Eile war höchst wünschenswert, wenn die ersten Gruppen von

Weitere Kostenlose Bücher