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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Norfolk
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Schornstein, fast nicht zu erkennen über den Bäumen, kaum dicker als ein Haar seines Haupts. Die letzten Worte seiner Mutter kamen ihm wieder in Erinnerung, ihre eingefallenen Wangen, vom Schatten wie mit Pockennarben gezeichnet. Ich muss dir noch mehr sagen ...
    Diese Worte würde er nun nie hören. Stattdessen würde er die Gebräuche im Gutshaus von Buckland erlernen. Er drehte sich um und schaute die breite Zufahrt entlang, von Buchen gesäumt und von Rasenflächen flankiert. Am Ende erhob sich das Gutshaus. Wieder wanderte Johns Blick über Fenster, Türen, Tore und Dächer, suchte nach etwas, worauf er sich heften konnte. Über den massiven Steinmauern stießen große Schornsteine dicken weißen Rauch aus. Seine Mutter hatte ihn hierher geschickt. Hier erwartete ihn sein neues Leben ...
    »Holla, du Dummling! Weiter mit dir oder aus dem Weg!«
    Jemand schubste ihn. Ein schimpfender Träger schob ihn vorwärts, und mit einem Laut der Überraschung stolperte John durch das Tor. Er hatte das Gutshaus von Buckland erreicht.
    Der Weg für die Fuhrleute verlief hinter einer hohen Ziegelmauer, die das Haus vor neugierigen Blicken abschirmte. Ben ging neben dem Maultier. John folgte und stapfte den schlammigen Weg entlang zu einem Gewirr von Stallungen, Nebengebäuden und Schuppen, die zwei große Innenhöfe umschlossen. Vor dem ersten Hof bildeten Karren und Wagen, Ochsen und Pferde, Treiber und Träger lange Schlangen.
    »Da warten wir«, sagte Josh zu John und Ben und deutete auf die Schlange. An dem Tor zum zweiten Hof beugten sich Männer in verschiedenfarbigen Röcken über Papiere auf provisorischen Tischen. »Rote Livree heißt Küchenbereich«, erklärte Josh. »Grün bedeutet
Haushalt. Violett heißt Ländereien. Scovell, Pouncey und Jocelyn, der Gutsverwalter. Sind sich alle drei nicht grün.«
    Sie stellten sich am Ende der Wartenden an, und Josh reckte den Hals, als halte er nach jemandem Ausschau. Als Ben vorwärtsschlurfte, machte sich ein untersetzter Mann mit fettigen Haaren an sie heran.
    »König Charles, wie er leibt und lebt«, murmelte er aus dem Mundwinkel. »Mit zwanzig Damen auf dem Weg zum Palast von Hampton. Und sein Porträt. Würde Euch das zusagen?«
    Ben riss die Augen auf. »Wie?«
    »Heerscharen von Fliegen«, zischte der Mann mit dem schiefen Mund. »Fallen aus einer Wolke über Bodman. Sehr sonderbar.«
    Ben wich zurück. Doch der Mann ließ nicht locker.
    »Abscheuliches Ungeheuer bei Hadensworth geboren.« Kummervoll schüttelte er den Kopf. »Tragisch.« Er hielt Ben eine Flugschrift hin. »Aber ein gutes Bild. Seht nur. Seht Ihr den zweiten Kopf? So ist das kleine Wurm rausgekommen. Ihr könnt alles darüber in der Broschüre lesen, Ihr seid doch gebildet ...«
    »Und es ist so wahr wie das Evangelium, stimmt’s, Calybute?«, rief Josh.
    »Mister Palewick!«, begrüßte Calybute den Treiber, als hätte er ihn eben erst bemerkt. »Aber gewiss doch. Der Mercurius Bucklandicus «, und er wedelte mit weiteren Flugschriften, »kennt nur die Wahrheit und nichts als die Wahrheit.«
    »Ist das wahrhaftig der König?«, fragte Ben.
    »Ein täuschend ähnliches Porträt«, versicherte Calybute. »Auf dem Weg zum Palast von Hampton. Mit seinen Damen, wie ich bereits sagte.«
    Als der König erwähnt wurde, kamen einige Träger und Fuhrleute herbeigeschlurft. John erblickte einen Mann mit traurigen Augen, hängendem Schnurrbart und Spitzbart unter einem kunstvoll geformten Hut.
    »Und so sieht er wirklich aus?«, fragte einer der Träger.
    »Die Haare sind länger«, räumte Calybute vertraulich ein. »Wie meine Kundschafter berichtet haben. Das ist die neue Mode bei Hofe.« Sein
schiefer Mund verzog sich zu einem Lächeln und enthüllte dabei mehrere schiefe braune Zähne. »Tuppence.«
    »Abgemacht«, sagte Ben.
    Calybute steckte zwei von Bens Pennies ein und trippelte dann hastig zu einem anderen Trüppchen Neugieriger. Ben und die Träger betrachteten das Porträt.
    »Der sieht auch nicht glücklicher aus als ich«, sagte Ben. Dann hob er den Blick zu dem grüngekleideten Hausdiener am vorderen Ende der Schlange. »Wir kommen nicht weiter«, sagte er zu Josh. »Ich dachte, du wärst mit diesem Pouncey bekannt?«
    »Josh?«, fragte einer der Männer. »Weißt du, wie Mister Pouncey aussieht?«
    »Der da ist nicht Mister Pouncey«, sagte Josh. »Am Tor würde er sich nicht blicken lassen. Das ist sein Oberschreiber, Mister Fanshawe. Der Bursche neben ihm ist Mister Wichett, der

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