Das Festmahl des John Saturnall
erwarteten, die nie kamen, wo dreimal täglich das große Heer von Dienstmädchen, Küfern, Schmieden, Schreibern und Dienstleuten und jedermann sonst, ob Mann, Frau oder Kind, der Sir Williams Livree trug, sich um die Tische im großen Saal scharte und sich am Tisch seiner Lordschaft den Bauch vollschlug. Denn das Leben im Gutshaus sollte weitergehen wie immer, hatte Sir William beschlossen.
Doch jenseits der zugenagelten Tore gab es Querelen sonder Zahl, wie Mister Pouncey wusste. Jeder Meter brüchigen Mauerwerks im Tal von Buckland hatte einen Erbauer, einen Besitzer, der für den Erhalt zuständig war, und einen Dritten, der mit dem Besitzer Rechtshändel ausfocht, bis die Steine zerbröckelten wie die alten Säle von Old Toue. Seit der Erste aus dem Geschlecht der Fremantles sich seinen Weg durch die Wildnis gebahnt und das Gutshaus begründet hatte, hatten die Streitigkeiten von Buckland den Weg zur Tür seiner Lordschaft gefunden. Wieder betrachtete Mister Pouncey das weiß versiegelte Bündel.
Das Bistum könne sich der Kuratei von Middle Ock annehmen, schlug Mister Pouncey vor. Sir Willam nickte. Als Nächstes ging es um Reparaturen an den Stallungen und um eine Entlassung unter den Schreibern. Ein neuer Warenkontrolleur würde im Rechnungshaus nebenan angestellt werden, wenn seine Lordschaft es gestattete. Und dann sprach Mister Pouncey das ewige Thema der Forham-Pacht an.
»Schon wieder in Verzug?«, fragte Sir William. »Und warum diesmal?«
»Sir Hectors Anspruch auf die Herrschaft von Boughton wurde bei der letzten Visitation abgewiesen«, murmelte Mister Pouncey. »Ein kostspieliger Fehler. Und die Gräfin wird bei Hofe nicht empfangen. Eine neue Indiskretion, wie ich gehört habe.«
Die Callocks waren entfernte und unruheträchtige Verwandte. Ihre Streitigkeiten und Rechtshändel mit den Fremantles füllten die Verzeichnisse des Gutshauses. Glitt der Schatten eines Lächelns über das Raubvogelgesicht Sir Williams? Es hatte eine Zeit gegeben, als er und
Sir Hector sich unbeschwert miteinander unterhalten hatten. Sie hatten sogar Schach gespielt, um die Stunden der Niederkunft Lady Annes herumzubringen. Nun lag das Schachbrett in einer Schublade des Beistelltischs, die Schachfiguren so aufgestellt wie damals, als Mistress Gardiners besorgtes Gesicht sich in der Tür gezeigt hatte. Lady Anne hatte um sein Kommen gebeten. Sie blutete ...
Der Haushofmeister sprach weiter. Die Schweine von Wittering hatten die Weidezäune der Dörfler von Selle unterwühlt, und man konnte sich nicht über die Abfindung einigen. Einer der Ackergäule des Gutshauses war nur noch fürs Gnadenbrot gut, und der nächste Pferdemarkt in Carrboro würde erst in drei Wochen stattfinden. Und der Einspänner, bemerkte der Haushofmeister nebenbei, sei reparaturbedürftig. Bei diesen Worten verfinsterte sich Sir Williams Miene.
Das Gefährt hatte zu den wenigen Extravaganzen Ihrer Ladyschaft gehört. Wenig brauchbar auf den schlammigen Wegen von Buckland, hatte Mister Pouncey seinerzeit eingewendet. Aber wenn es um Lady Anne ging, war keine Anschaffung zu teuer gewesen: die neuen Gartenanlagen, das Gewächshaus im Ostgarten, die Fenster in der Kapelle ... Sir William hatte sogar den Turm herrichten lassen, hatte Ziegel und Mörtel über den alten Mosaiken erneuern lassen. Heidnische Darstellungen des Tals in alter Zeit, behauptete der Maurer. Nun stand der zweirädrige Wagen in der Remise hinter den Stallungen und würde sie ebenso wenig jemals verlassen wie das Schachbrett seine Schublade oder das Unkraut den Ostgarten. Das Gewächshaus würde weiter langsam zerfallen und der Turm der Kapelle leerstehen. Die Sonnengalerie bliebe abgesperrt und das Zimmer an ihrem Ende in ständiger Dunkelheit. Ständig, dachte der Haushofmeister, bis auf Lady Lucretias Eindringen im vergangenen Sommer.
»Lasst den Wagen richten«, murmelte Sir William.
Mister Pouncey nickte. Nun blieben nur noch die Papiere, die mit weißem Band versiegelt waren. Mister Pouncey holte tief Luft. Sir William sah teilnahmslos zu, als der Haushofmeister das Siegel erbrach und die Papiere sortierte.
»Die Fremantle-Erbfolge«, verkündete Mister Pouncey. »Wie Ihr wisst, Mylord, habe ich mich der Aufgabe, mit der Ihr mich betraut habt, mit größtem Eifer und unter Einsatz all meiner Fähigkeiten gewidmet ...«
Mister Pouncey übertrieb nicht. Das Ergebnis seines Eifers lag auf dem langen Tisch in seinen Gemächern ausgebreitet: Rollen und Folianten aus
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