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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Norfolk
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es nicht über sich gebracht, ihr die Augen zu schließen, und deshalb hatte er sie mit dem Umhang bedeckt. Danach begann die Zeit des Umherwanderns.
    Der Hunger trieb ihn aus dem Wald. Als er an den Berghängen nach Nahrung suchte, hatte Jake Starling ihn gepackt und hinunter geschleppt. Er war in der dachlosen Hütte festgebunden worden, und Anne Chaffinge hatte ihm Brot zugeworfen. Pater Hole war mit Josh gekommen, der das Maultier am Zügel führte.
    »Gutshaus von Buckland«, hatte der Priester geknurrt, und die Narbe in seinem Gesicht hatte zornigrot gepocht. »Das war ihr Wunsch.«
    Als sie abends hinter einem Wäldchen ihr Lager aufschlugen, war Ben immer noch gekränkt. Josh verbrachte den Abend mit dem Versuch, Johns Überrock zu säubern. Das schmutzige Hemd und die schmutzigen Kniehosen konnte man unter dem Rock verstecken, befanden Josh und Ben. Als es dunkelte, legten sie sich zum Schlafen hin. Das Feuer erstarb langsam. Jenseits seines schwachen Scheins hörte John das Maultier stampfen und schnauben. Als er sich auf dem harten Boden zusammenrollte, erhoben sich die Bäume von Bucclas Wald rings um ihn. Wenn er die Augen schloss, konnte er die Tische sehen, die sich unter dem Gewicht der Gerichte mit ihrem üppigen Aroma und ihrem durchdringenden Geruch bogen. Er entsann sich der eigenen stockenden Stimme. Er würde das Fest begehen, hatte er ihr versprochen. Wie sollte er das nun tun können?
    Es gebe noch mehr zu lernen, hatte sie ihm gesagt. Und sie hatte ihn gewarnt. Auch andere waren auf der Suche nach dem Fest.
    Er bewegte sich unruhig auf dem harten Boden, und seine Gedanken wanderten von ihren letzten Worten zu dem Tag, als er auf dem fernen Bergkamm das Torhaus erspäht hatte. Dort habe sie gedient, hatte sie gesagt. Und das Gutshaus hatte sie zu seiner Zuflucht bestimmt.
     
    »Vergiss nicht, wenn sie dich Sir William vorführen, dann hältst du den Blick gesenkt und stehst aufrecht«, erklärte Josh am nächsten Morgen.
»Außer sie fordern dich auf, niederzuknien. Er mag es nicht, wenn man ihn ansieht, dieser Sir William. Und das gilt auch für seine Tochter.«
    »Und für deinen Freund Mister Pouncey?«, sagte Ben.
    »Für den vielleicht auch«, räumte Josh ein. »Und alle anderen nennst du ›Master‹, auch wenn sie gar keine sind. Und glotz sie nicht so an wie unseren Ben hier ...«
    »Er hat mich nicht angeglotzt«, verbesserte ihn Ben, »sondern eher durch mich hindurch gestarrt.«
    »Tu das auch nicht«, sagte Josh. »Niemand will sich vorkommen wie ein Loch in der Hecke.« Er straffte Johns Überrock und glättete seine Haarbüschel. »Verstanden?«
    John nickte. Seine dumpfe Schicksalsergebenheit war gewichen. Zu seiner Überraschung regten sich erstmals wieder seine Magennerven. Als er half, die Packen und Kisten auf die Pferde zu laden, erinnerte er sich an die lakonischen Worte seiner Mutter über Sir William. Den wirst du kaum zu sehen bekommen ...
    Der Weg senkte sich und stieg wieder an. Ein langer Abstieg führte sie nach Callock Marwood, wo sie an einer alten Kapelle aus unbehauenen Steinen vorbeikamen und danach an einer Mälzerei und einer Mühle. John ging neben dem Maultier. Vor ihnen hörte er Rufe und das Rumpeln schwerer Wagenräder. Nach der nächsten Wegbiegung mündete ihr Pfad in einen breiteren Fahrweg voller Männer, Fuhrwerke und Tiere. Vor ihnen lag ein steiler Anstieg.
    Der Bergkamm, erinnerte sich John. Von Bucclas Wald aus hatte er sich so winzig ausgenommen. Dahinter lag das Gutshaus von Buckland.
    Ein stetiger Strom von Wagen, Karren und schwitzenden Trägern bewegte sich den steilen Weg hinauf. Zu beiden Seiten des Wegs erstreckten sich Buchenwälder. Auf dem Gipfel flankierten zwei niedrige Türme ein massives doppeltes Tor mit einem Wappen. Dicke Zaunlatten verdeckten das Emblem weitgehend.
    »Sir William hat diese Tore eigenhändig zugenagelt«, sagte Josh.
    Sie machten sich an den Aufstieg. Ringsum brüllten Treiber sich abmühende Pferde und gleichmütige Ochsen an. Schwere Räder rutschten
in dem kiesigen Matsch. Von den Türmen sahen Männer in grünen Röcken auf das Gewimmel von Trägern, Fuhrleuten und Tieren herab und dirigierten sie zu einem engeren Seiteneingang. Josh ging hinter einem Ochsenkarren mit Bauholz und führte die gescheckte Stute am Zügel. Schon bald ragten die Türme des Torhauses drohend vor John auf. Als er den Gipfel des Kamms erreicht hatte, sah er zurück.
    Die dunkle Linie von Bucclas Wald lag am Horizont. Da war der

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