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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Norfolk
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hinten.
    »Pass auf, Vogelscheuche!« John drehte sich um und sah den schwarzhaarigen Küchenjungen weglaufen. Dann holte Josh den Brief hervor.
    »Habe eine Botschaft«, sagte er. »Für Sir William.«
    Bei den Worten »Sir William« schien die Schreiber eine Lähmung zu überkommen. Keiner rührte sich oder sagte etwas. Keiner riss den Mund auf. Doch der Name schien in der Luft zu vibrieren. Mister
Wichett sah nach oben, als wolle er den Sonnenschein berechnen. Mister Fanshawe rieb sich den Nasenrücken. Und danach wechselten sie einen denkbar kurzen Blick. Die Andeutung eines Achselzuckens seitens Mister Wichetts war das Stichwort für Mister Fanshawe.
    »Alles, was Sir William angeht, ist Sache des Haushalts«, erklärte der Vorstand des Haushalts. »Es muss Mister Pouncey vorgelegt werden.«
    »Das ist dein Freund, Josh, nicht wahr?«, mischte sich Ben ein. Josh hüstelte und sah weg. Mister Fanshawe musterte seine eifrigen Schreiber auf der Suche nach einem, der nichts zu tun hatte. Doch alle waren mit den wartenden Trägern und Fuhrleuten beschäftigt.
    »Kann ich helfen, Mister Fanshawe, Sir?«
    Coake stand dienstbeflissen in Habachtstellung vor dem Oberschreiber des Haushalts. Ein leises Nicken Mister Wichetts und ein Achselzucken Henry Palewicks bestätigten dem Küchenjungen den Auftrag. Josh überreichte die Papiere Fanshawe, der einen Blick darauf warf und sie dann Coake weiterreichte. John sah zu, wie der Junge durch das Tor lief.
    »Eure Pferde werden gestriegelt und getränkt«, sagte Mister Wichett zu Josh. »Der Schreiber des Wirtschaftshofs wird Eure Rechnung begleichen. Ihr könnt passieren ...«

    Helles Sonnenlicht schien durch die Sprossenfenster. Schattengitter fielen schräg auf den Boden. Ein Mann mit spärlichem Haarwuchs scharrte mit seinen Absätzen auf den Dielen und klopfte mit einem knöchrigen weißen Zeigefinger auf die Papiere in seinen Händen. Mister Nathaniel Pouncey, Haushofmeister des Gutshauses des Tals von Buckland, stand vor einem Tisch aus Walnussholz, auf dem sich Papiere türmten, die obersten mit weißem Band versiegelt. Alles war bereit, vermerkte Mister Pouncey mit leiser Befriedigung. Alles war an seinem Platz.
    Der Haushofmeister trug einen dunkelgrünen Rock mit breitem weißen Kragen, um den seine Amtskette hing. Hinter den Papieren saß
Sir William Fremantle, schwarz gekleidet wie immer, und betrachtete seinen ranghöchsten Diener. Nur das leise Klopfen seines Daumens auf der Armlehne verriet seine Ungeduld. Mister Pouncey beäugte den Daumen, dann die versiegelten Papiere, dann die Reihenfolge seiner Aufträge und dann Sir William. Als ranghöchster Diener war er nicht verpflichtet, den Blick abzuwenden, hätte es aber dennoch nicht gewagt, sich in Gegenwart des Herrn von Buckland von der Stelle zu rühren.
    »Die Kuratei von Middle Ock, Mylord«, verkündete er.
    Die vakante Kuratei war das erste Thema ihrer wöchentlichen Besprechung, der dreizehnten Besprechung dieses Jahres im vierzehnten Jahr dieser Besprechungen.
    Die Kuratei unterstehe dem Vikar von Callock Marwood, erklärte der Haushofmeister, ein Pfründenbesetzungsrecht des Gutsbesitzes von Old Toue. Old Toue war nichts weiter als drei baufällige Schuppen auf einer Wiese, aber die alte Domäne umfasste auch das Dorf Sarwick, dessen Zinslehen von alters her durch eine Familie eingetrieben wurde (die Bells von Lower Chalming, wie Mister Pouncey sich entsann), die zum Teil für den Unterhalt des Armenhauses in Carrboro verantwortlich war und zur Entschädigung Abgaben im Dorf Wickenden eintreiben und außerdem die Leichenverzeichnisse der Gemeinde Saint Brice’s in Masholt führen durfte. Leider seien Tote in Masholt in letzter Zeit eher spärlich gewesen, berichtete Mister Pouncey, und die Abgaben der Ortschaft Wickenden nie der Rede wert ...
    Er merkte, dass Sir William ihm nicht mehr aufmerksam zuhörte. Er war schon vor dem Tod Ihrer Ladyschaft Haushofmeister gewesen. Und davor Schreiber. Er hatte Karpfenteiche in Cobham gezählt und in Grayschott darüber befunden, wer sein Vieh wo grasen lassen durfte. Er kannte jeden Weiler, jedes Gehöft und jedes Pfarrhaus auf den Ländereien der Fremantles in- und auswendig, im Norden bis nach Soughton, im Süden bis nach Stollport, im Osten bis in die Ebene des fernen Elminster und im Westen bis an den Rand der Tiefebene. Mittelpunkt war das Gutshaus, wo Gärtner Beete pflegten, die kein Edelmann je zu
sehen bekam, und Stallknechte die Pferde von Besuchern

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