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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Norfolk
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umfriedeten Hof, wo Männer Fässer rollten, Kisten und Bretter schleppten und Büschel zusammengebundener Wildvögel trugen. Andere holten Wasser aus dem Brunnen am anderen Ende des Hofs. Aus einer Reihe mit Vorhängen versehener Schuppen in der Nähe drang stechender Abortgeruch. Ein alter Mann mit verdrießlicher Miene leerte einen Eimer daraus in einen Schubkarren. Auf Philips Zeichen setzte John die Last ab. Neben einem großen Korb voller Federn lagen halbgerupfte Vögel auf einem Brett. Das angedeutete Lächeln schien die Miene des Jungen nie zu verlassen. Er beäugte Johns Überrock und schmutzigen Kittel, seine eingefallenen Wangen und die Haarbüschel auf seinem Kopf.
    »Woher kommst du, John Saturnall?«
    »Flitwick«, antwortete John vorsichtig. »War mit Josh Palewick unterwegs.«
    Der andere Junge riss die Augen auf. »Er kommt weit herum. Sein Bruder ist unser Kellermeister.«
    John nickte. »Mag sein, dass ich hierbleibe«, sagte er beiläufig. »Werde vielleicht in den Haushalt aufgenommen.«
    Philip hob die Augenbrauen. »In den Haushalt?«
    »Josh kann mich ja nicht ewig behalten, oder? Ist schwer genug, die Pferde durchzufüttern.«
    Der Schubkarren näherte sich samt seinem Gestank. Der verdrießliche alte Mann, der ihn schob, hieß Barney Curle, erklärte Philip. Aber John sah über die Schulter zurück. Ein Mädchen mit rundem Gesicht,
das einen grauen Reifrock trug, war aus einer Tür in den Hof geschlüpft. Es hielt sich eine Hand vor die Nase, als es an dem alten Mann mit seinem Schubkarren vorbeikam.
    »Gemma!«, rief Philip, als das Mädchen auf sie zukam. Zwei andere Mädchen in Kitteln und Hauben, die sie als Dienstmädchen auswiesen, folgten ihr.
    »Lucy ist verschwunden«, sagte Gemma mit gerunzelter Stirn zu Philip. »Ich meine, Lady Lucretia. Ich bin seit Stunden auf der Suche. Genau wie Meg und Ginny.«
    Die Zofe namens Ginny spähte zu John. Unter ihrer Haube quollen kupferrote Locken hervor.
    »Dann befiehl ihr zurückzukommen«, sagte Philip grinsend zu dem Mädchen. »Du bist doch schließlich ihre Königin, oder?«
    Das rothaarige Mädchen kicherte, aber Gemma funkelte ihn zornig an.
    »Das ist nicht lustig! Pole und Gardiner suchen alles ab.« Sie deutete auf den Korb voller Federn. »Bleib du bei deinem Rupfen, Philip Elsterstreet.«
    »Schon recht, solange sie nicht wieder zu fasten anfängt. Sag ihr, dass die Küchenleute es satt haben, ihren Haferschleim zu kochen.«
    Gemma überhörte die letzten Worte und warf einen neugierigen Blick auf John. »Wer ist dein Freund?«
    »Erkennst du ihn etwa nicht?« Philip hob die Augenbrauen in ungläubigem Staunen. »Das ist John Saturnall, hergekommen, um Lady Lucy seine Aufwartung zu machen. Er ist ein verkleideter Prinz.«
    Das Mädchen namens Meg kicherte. Die beiden anderen nahmen John in Augenschein, der linkisch vor ihnen stand, sich seiner grob geschorenen Haare und seiner schmutzstarrenden Kleidung bewusst. Er zog seinen dumpfig riechenden Überrock enger um sich. Das rothaarige Mädchen namens Ginny lächelte.
    »Prinz von wo, John Saturnall?«
    »Von nirgendwo«, murmelte John und spürte, wie ihm das Blut in die Wangen stieg. Ginnys Blick glitt über ihn, bevor Gemma sie am
Ärmel zupfte und ihre Begleiterinnen wegführte. John sah Philip finster an.
    »Das findest du lustig?«
    »Ich wollte sie nur zum Lachen bringen.«
    »Über mich?«
    »Es tut mir leid«, sagte Philip. Er sah zu dem Korb hinunter. »Komm schon. Ich kann das nicht alleine tragen. Ich zeig dir die Küchenräume. Du musst dich auskennen, oder? Wenn du zu uns stößt ...«
    John sah ihn misstrauisch an, bückte sich dann und ergriff wieder die Stange. Beide Jungen schnauften und stapften über den Hof voller Leute in den gegenüberliegenden Durchgang. Nach einer Biegung gelangten sie zu einem hohen gewölbten Eingang, aus dem Kochdünste wehten. Philip ging voran und manövrierte den Korb in ein Gewölbe. Die Jungen setzten den Korb neben einem Tisch ab, auf dem ein untersetzter Mann mit feistem Gesicht Zwiebeln schnitt; sein Messer zuckte schattenhaft über dem Holz.
    »Unter die Bank, Philip«, sagte der Mann schniefend. Stirnrunzelnd sah er John an. »Wer ist das?«
    »Wird Mitglied des Haushalts, Mister Bunce«, erklärte Philip.
    »Wer sagt das?«
    »Sir William höchstselbst, soweit ich weiß«, erwiderte Philip keck.
    »Nun gut«, murmelte Mister Bunce. Dann hob er den Kopf und rief: »Obacht, ein Fremder!« Auf diese Begrüßung hin schob Philip

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