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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Norfolk
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riesengroßer Herd die ganze Breite des Raums ein. Am einen Ende des Herds beschrieb ein Mann mit langem Schnurrbart bedächtig Achter mit dem Rührlöffel, den er in einem Topf bewegte, während sein stämmigerer Gefährte
einen Schöpflöffel in der Hand hielt. Faustgroße Klumpen dampfenden grauen Porridges klatschten schmatzend in die Schalen.
    »Ende des Frühstücks«, sagte Philip. »Für uns. Die oben stopfen sich immer noch voll.«
    Mit abschätziger Miene wies er zur Zimmerdecke.
    »Oben?«
    »Die vom Haushalt. Wir hier unten haben wenig mit denen zu tun. Natürlich außer dass wir ihnen den Bauch füllen.«
    Überall in der Küche wurden Befehle gebrüllt: »Wasser her!«, »Wetzstein!«, oder: »Bridieren und einschieben!« Dann eilte ein Hilfskoch oder ein Küchenjunge herbei, um etwas zu bringen oder abzuholen oder bei einer der unergründlichen Verrichtungen in der Küche Hand anzulegen.
    Hinter der hohen Anrichte sah John einen Durchgang und die untersten Stufen einer Treppe. Am anderen Ende des Raums erhob sich ein breiter Bratrost über einer großen Feuerstelle, flankiert von gestapeltem Feuerholz. Und dann wehte ein neuer Geruch an Johns Nase vorbei, streng, aber wohlriechend. In einer hölzernen Kiste auf der Bank neben ihm lagen in Stroh gebettet etwa ein Dutzend Früchte, leuchtendgelb, mit wächserner, feingerunzelter Schale. Er kannte sie aus dem Buch, aber nun starrte er sie staunend an.
    »Hast du noch nie eine Zitrone gesehen?«, fragte Philip Elsterstreet.
    »Natürlich hab ich das«, murmelte John. »Ich wusste bloß nicht ...«
    »Was wusstest du nicht?«
    John zögerte. »Ich wusste nicht, dass sie gelb sind.«
    Philip sah ihn stirnrunzelnd an. Von dem Herd neben dem Durchgang wallte eine große Dampfwolke auf. Der Geruch von Fischsuppe wehte durch die Küche. John sah vier Männer in Röcken und Schürzen vor dem Dampf zurückweichen. Einer von ihnen drehte sich um und erblickte die Jungen.
    »Heda, ihr beiden!«, rief der untersetzte kahlköpfige Mann durch die Küche. »Kommt her!«
    »Das ist Master Henry«, flüsterte Philip. »Joshs Bruder.«

    »Ich weiß«, sagte John und versuchte sich zu erinnern, wie er sich einem Erwachsenen zu nähern hatte. Ihm ins Gesicht schauen, dachte er. Oder eher nicht.
    »Die drei anderen sind Küchenvorsteher. Halt deine Zunge im Zaum. Vor allem bei Vanian.«
    »Wer ist Vanian?«
    »Der in der Mitte. Der wie eine Ratte aussieht.«
    Sie näherten sich dem Herd, dessen Höhle drohend gähnte. John blickte zu den Rädern und Ketten eines riesengroßen Bratspießes hinauf. Über einem glimmenden Feuer waren brodelnde Töpfe der Größe nach aufgereiht bis zu einem Kessel von einem Ausmaß, dass er ein ganzes Schwein gefasst hätte.
    »Das ist Master Scovells Kupferkessel«, sagte Philip leise. Ein Hilfskoch hielt die Kohlen unter dem Kessel mit sanften Luftstößen aus einem Blasebalg am Glühen. Wieder erhaschte John den sonderbaren Geruch. Lilien und Pech, schwächer als in seiner Erinnerung.
    »Wo ist Joshua?«, fragte Henry Palewick, als sie näherkamen. »Und der andere Bursche. Der mit dem Pferdegesicht.«
    »Ben Martin«, sagte John. Nach einer langen Pause erinnerte er sich und ergänzte: »Master Henry.«
    Henry Palewick begann Philip auszufragen, was sie in der Küche zu suchen hatten, wo, was Philip so gut wie jedermann wusste, niemand außer dem Küchenpersonal Zutritt hatte, außer eigens aufgefordert. Nicht einmal Mister Pouncey durfte hier ungebeten eintreten, wie Philip wissen dürfte. Nicht einmal Sir William höchstselbst ...
    Der rattengleiche Vanian ließ den flinken Blick seiner schwarzen Augen über John gleiten und wandte sich dann wieder seinem Gespräch mit den zwei anderen Köchen zu, in dem es um einen Kessel ging, der in einem größeren Kessel hing. Der Geruch aus Bens Bündel mischte sich in köstlichen Fischduft. Auf einmal verspürte John Hunger. Die Männer, sah er, kosteten von einer Schöpfkelle, die sie einander weiterreichten. Der Größte von ihnen schlürfte und lächelte dann.

    »Ob Miss Lucretia dies verzehren wird oder nicht, die Küche hat ihre Schuldigkeit getan«, erklärte er gutgelaunt. Er war einen ganzen Kopf größer als die anderen. »Eine einfache Brühe ist das Bekömmlichste für einen jungen Magen, insbesondere wenn dieser die Entbehrung der Nahrung vorzieht. Lampreten. Feingemahlene Krebsschalen. Stockfisch und ...« Er sog die Luft ein und runzelte dann die Stirn.
    »Einfach, Mister

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