Das Festmahl des John Saturnall
sprödem Pergament. In den Schubladen darunter häuften sich Briefe in seiner ordentlicher Handschrift, alle Abschriften fein säuberlich eingeordnet bis hin zu den Briefen des ersten Wappenherolds von England, der im Verlauf ihres unversieglichen Briefwechsels zuletzt müde und vertraulich mit »Segar« unterzeichnet hatte.
Doch keiner der Korrespondenten Mister Pounceys hatte mit einer Lösung aufwarten können. Seine eigenen Nachforschungen hatten ihn in die Abgründe urkundlicher Überlieferung des Gutshauses geführt, und unter großen Mühen hatte er die Handschrift seiner Vorgänger zu entziffern versucht, ihre Aufzeichnungen über die Besitztümer und Privilegien, die alten Vorrechte und Verpflichtungen der Herren von Buckland. Sie hatten die Ländereien seit Cäsars Zeiten besessen, so lautete die Familienüberlieferung. Sir William konnte sich auf eine Abfolge von Ahnen durch die Jahrhunderte hindurch berufen, die immer schattenhafter wurden, bis zurück zu jenem ersten Gefolgsadeligen Fremantle, der Gott einen Eid geschworen und sich dann mit der Axt den Weg durch das Tal gebahnt hatte, um seine Fackel an einem überirdischen Feuer zu entzünden. Dort hatte er den Turm errichtet, in dem er beerdigt werden würde. Nun wachte sein Standbild in Bucklands altehrwürdiger Kapelle, und das überirdische Feuer loderte noch immer in der Fackel auf dem Wappen der Fremantles.
Doch diese Überlieferung enthielt auch den Keim für Mister Pounceys gegenwärtige Sorgen. Denn der Eid, den jener Gefolgsadelige geschworen hatte, fand sich vor seinem Grabmal in Stein geschnitten als ein für alle künftigen Generationen verbindliches Gelöbnis.
Unter Anleitung der Geistlichen unseres Herrn und um seines Sohnes Jesu Christi willen schwöre ich: dass wir und all unsere Nachkommen diese Länder und heimischen Herde erhalten und für unseren höchsten König bewahren werden. Es sei keiner Frau gestattet, Feuer im Herd zu entzünden oder die Feuer im Tal zu schüren oder Nahrung zu geben, so es ihr nicht geboten wurde, oder im Tal zu herrschen oder zwanzig Morgen Landes Grundbesitz ihr Eigen zu nennen oder Gefolgsleute oder Bedienstete zu halten, auf dass diese Länder nicht wieder den Feinden unseres Herrn ausgeliefert werden ...
Wenn Mister Pouncey die Augen schloss, sah er die alte Urkunde vor sich, die sich unter den Verzeichnissen des Gutshauses befand, sah er jeden Flecken, jedes Mal auf dem Pergament. Jeden verblichenen Buchstaben.
Es sei keiner Frau gestattet ... zu herrschen ...
Das war der springende Punkt. In der Tradition der Erbfolge des Hauses Fremantle bekleidete Lady Lucretia keinen höheren oder niedrigeren Rang als die Tochter eines Schweinezüchters in Wittering.
»Sollte es dem Herrn belieben, Euer Lordschaft noch heute zu sich zu nehmen«, setzte Mister Pouncey bedächtig an, »dann muss ich Euer Lordschaft wohl kaum die Folgen vor Augen führen. Lady Lucretia wäre dann Mündel des Hofes. Die Bevollmächtigten des Hofes würden die Ländereien verwalten und könnten die bewegliche Habe des Hauses mit ihren Schulden verrechnen, wie es mit dem Vermögen des Neffen der Markgräfin von Charnley geschehen ist. Oder sie könnten sich die Einkünfte und Pachtzinsen überschreiben, wie sie es in der Gemeinde Mere getan haben. Oder sie könnten sich den ganzen Besitz aneignen, wie sie es in Old Toue getan haben ...«
»Ich weiß, aus was für Männern sich die Bevollmächtigten für Mündel des Hofes rekrutieren«, erwiderte Sir William.
»Selbst wenn Lady Lucretia mündig werden würde«, fuhr Mister Pouncey unerbittlich fort, »fiele Buckland in Ermangelung eines männlichen
Erben an die Krone. Und das hieße, es fiele den Gläubigern des Königs in die Hände ...«
Er war in Fahrt gekommen. Sir William bewegte sich unbehaglich auf seinem Sessel. Aber Mister Pouncey hatte auf Geheiß seines Herrn lange Stunden über den Papieren gebrütet. Nun musste Seine Lordschaft sich die Ergebnisse seines Forschens anhören. Der Haushofmeister verstummte erst, als der schwarzgekleidete Mann ungeduldig die Miene zu verziehen begann. Stimmenlärm aus dem Hof drang leise in den Raum.
»Es muss einen anderen Weg geben«, sagte Sir William missmutig.
Den gab es freilich, dachte Mister Pouncey. Seit dem Tod Lady Annes hatte sich eine einfache Lösung angeboten. Die Worte lagen ihm auf der Zunge. Jetzt, stachelte er sich an, und er hörte seine Stimme.
»Mylord, es gibt eine Möglichkeit.«
Sir William sah
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