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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Norfolk
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Küchenjungen lachten, als ein errötender Phineas seine Münzen entgegennahm. Ihm folgte Adam Lockyer, dessen Schneidearbeit in Underleys Zerwirkkammer so fabulös war, dass man annehmen durfte, er würde demnächst in das Heer des Königs in Böhmen eintreten. Nach ihm kam Jed Scantlebury, der sich offenbar ein Paar Siebenmeilenstiefel zugelegt hatte, nach den Schritten zu urteilen, mit denen er vortrat, und danach kamen Wendell Turpin, der sich Federn von der Livree streifte, Peter Pears in gemächlichem Schritt und die Brüder Gingell. Selbst Coake, Barlow und Stubbs wurden gelobt. Nachdem Philip zu seinem Entkommen aus der Spülküche beglückwünscht worden war, wurde John aufgerufen. Adam Lockyer versetzte ihm einen spielerischen Schubs.
    »Ah, Master Saturnall«, rief Master Scovell. »Sagt mir nun, wohin hat die Küche Euch geführt?«
    John sah auf. Der Meisterkoch hatte das ganze Jahr über fast nie ein Wort an ihn gerichtet. Er hatte ihm den Weg vorgegeben, ohne ihm zu sagen, was das Ziel war. Und nun erwartete er ein Ergebnis.
    »Ich weiß es nicht, Master Scovell«, stammelte John in unbehaglichem Wissen um die Blicke der anderen Jungen.
    »Dann wage dich weiter vor«, sagte Scovell.
    Er drückte John die warmen Münzen in die Hand.
     
    Die Weihnachtszeit kam. Zu Dreikönig hallten in der Küche die derben Späße aus dem großen Saal im Obergeschoss wider. Als der Schnee schmolz, waren die Straßen wieder wegbar. Eine Woche nach Mariä
Verkündigung ließ Henry Palewick John in den Hof rufen, wo am Ende einer Reihe von Packpferden ein hinkendes Maultier John mit einem Blick bedachte, als hätte er ihm ein gravierendes Unrecht angetan. Neben dem Tier stand ein magerer grauhaariger Mann, der ihm zunickte.
    »Sie geben dir zu essen«, sagte Joshua Palewick zur Begrüßung und musterte John eingehend. John lächelte. Die Arbeit in der Küche hatte ihn kräftiger gemacht, die Muskeln seiner Arme und Beine betont. Der Treiber schlug ihm auf den Rücken. »Wie steht es mit Ben?«
    »Wie immer. Wie steht es mit dem Dorf?«
    »Der alte Holy ist krank. Den anderen geht es nicht viel besser.«
    Der Treiber sah unverändert aus nach dem Jahr, das vergangen war, dachte John, als wäre die Zeit außerhalb der Küche angehalten worden, seit er das Gutshaus betreten hatte.
    »Ich hab gehört, dass John Saturnall sich einen Namen gemacht hat«, sagte Josh und zwinkerte Henry zu.
    »Ich bin nur ein Küchenjunge«, sagte John verlegen.
    »Ein Küchenjunge, der sich Master Scovells Gunst erfreut.«
    »Zeigen tut er es nicht«, sagte John.
    Die Packpferde wurden entladen und getränkt. Ringsum riefen Fuhrleute und Dienstmänner durcheinander. In all dem Getöse verkündete ein rotgesichtiger Calybute Pardew die Nachrichten des Mercurius Bucklandicus.
    »Ungeheuer in Southstoke geboren!«, rief er. »Regen von Eidechsen in Tucking Mill! Der neueste Zwist des Königs mit dem Parlament! Fürchtegott und seine nackten Anhänger ...« »Was ist das?« John drehte sich schnell um. Calybute hielt ihm eine Flugschrift hin.
    Der Holzschnitt der Flugschrift war ungeschlacht, aber »Fürchtegott« stach in vertrauter Deutlichkeit hervor mit dem langen Haar zu beiden Seiten seines Gesichts. Bei Marpots Anblick spürte John Zorn in sich aufsteigen.
    »Hier sind seine Frauen«, sagte Calybute und blätterte um. »So nennt er sie.«

    Die Frauen knieten in Reihen, ihre unförmigen Brüste und Gesäße mit dicken, groben Strichen wiedergegeben. Marpot stand vor ihnen, nackt wie sie, und hielt seine Bibel erhoben. Für eine Sekunde kam John Cassie in den Sinn. Ihre weißen Beine, als sie ihr braunes Kleid angehoben hatte, um den Abhang hinunterzulaufen.
    »Dieser Marpot?«, fragte Josh, als Calybute weiterging. »Der, der dich ...«
    John nickte stumm.
    »Es heißt, er würde in der Gegend von Zoyland predigen. Er und eine ganze Sippschaft, die er seine Familie nennt. Adamiten, so sagt der Bischof. Seine Lordschaft wird ihn bald genug an den Pranger bringen. Das kannst du mir glauben.« Josh nickte und gab dem Maultier einen Stoß. »Nächstes Jahr sehen wir uns wieder, John.«
    Marpot gehörte zu einem Land, das er verlassen hatte, dachte John, als er in die Küche zurückging. Scovells Stimme hallte nun in seinem Kopf wider. Wohin hat die Küche Euch geführt?  ... Statt des Grölens der Dörfler füllte seine Ohren das Klirren und Klappern von Töpfen und Pfannen. Statt des alten Rußes im Schornstein füllten seine Nase dichte

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