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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Norfolk
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Vorbereitungsbrigade.«
     
    »Hier werden nicht nur Salate in die richtige Form gebracht«, erklärte Mister Bunce am nächsten Morgen John und Philip, als er einen Korb auf die Arbeitsbank stellte. »Sondern auch ihr. Verstanden?«
    Die beiden nickten.
    »Gut. An die Arbeit.«
    Sie wuschen und schälten und schrappten und schnipselten. Sie zerteilten Stiele und tournierten Wurzeln. Johns Messer rutschte an glitschigen Zwiebelhäuten ab und hackte auf Rote Rüben ein, deren dunkle
ledrige Schale die Monate in den Wurzelspeichern zäh gemacht hatten. Auf Rüben folgten Lauchstangen. Alf sammelte das Ergebnis ihres Tuns in Körbe, die er in die Küche brachte.
    »Das Gefährlichste am Messer ist der Griff«, sagte Mister Bunce zu John und Philip. »Wisst ihr, warum?«
    Beide schüttelten den Kopf.
    »Weil das der Teil ist, der die Klinge mit dem Küchenjungen verbindet.«
    Der Leiter der Vorbereitungsbrigade bewahrte die Messer in Leinentücher eingewickelt und die Leinentücher in Sackleinen eingeschlagen in einer Schublade auf, die er jeden Abend verschloss. Donnerstags wurden die Messer an einem sattelförmig ausgehöhlten Wetzstein geschärft, und alle zwei Wochen polierte Mister Bunce sie mit einem Tuch und einer geheimnisvollen weißen Paste, laut Alf aus Ziegenpisse und Kreide zusammengerührt. Wenn Mister Bunce hackte, schien das Messer vor den Augen zu verschwimmen. Oblatendünne Gemüsescheiben purzelten über das Hackbrett, so dick oder so dünn wie gewünscht. Johns Finger mochten ermüden oder sich wie lauter Daumen anfühlen, aber die dicken Finger des Entremetiers bewegten sich mühelos.
    »Schau her«, rief er John zu, während sein Messer geschwind einen Rübenwürfel zerteilte. »So etwas nennen wir Kickshaw . Kommt aus dem Französischen. Heißt irgendwas oder so ähnlich. Genau weiß ich es nicht mehr.«
    Durchsichtige Späne fielen auf den Tisch. Die ungeschlachten Hände des Kochs berührten das Gemüse mit erstaunlicher Zartheit.
    »Es gibt alle möglichen Kickshaws. Pasteten, Süßigkeiten. Man kann sie aus allem machen, sogar aus so einer Rübe.«
    Das Messer stach und schnitt. Zuletzt hielt Bunce einen winzigen Hahn samt Hahnenkamm empor.
    »Zu Lady Annes Zeiten hab ich so was oft gemacht. Versuch es mal.«
    John schnitzte und bohrte mit seinem Messer, und die Rübe wurde warm und glitschig in seiner Hand. Schließlich hielt er etwas hoch, was
wie ein verwachsenes Schwein aussah. Mister Bunce schürzte zweifelnd die Lippen.
    »Braucht noch etwas Nachbearbeitung.«
    Als der Sommer kam, wurden Körbe voller Fallobst in das Küchengewölbe gebracht. John betrachtete die rot und golden gestreiften Äpfel, meist kaum größer als Möweneier, und erinnerte sich an die sauren Äpfel von Belliccas alten Bäumen und an den Obstblütengeruch vor der Kapelle.
    »Früchte sind anders als die Wurzeln, die du zerhackt hast«, erklärte Mister Bunce. »Früchte sind nachtragend. Du musst behutsam sein. Du musst sie sorgfältig zerschneiden, sonst wird das Fleisch gequetscht. Pass auf.«
    Mister Bunce setzte die Spitze seines Messers auf das Brett und legte einen Apfel unter die breite Klinge. John sah das Messer aufblitzen wie einen gebogenen silbernen Strahl und hörte ein feuchtes Knirschen. Die zwei Apfelhälften rollten auf den Tisch. Wieder knirschte es, und aus einer Hälfte waren Viertel geworden.
    »Meinst du, das kannst du?«
    John betrachtete die kleine bittere Frucht. Er nahm sein Messer und hielt es über die zweite Apfelhälfte.
    »Nein, nein, nein!«, bellte Bunce.
    John setzte neu an. Und wieder neu. Es brauchte vier Versuche, bis Mister Bunce ihm erlaubte, das Messer zu senken. Als er die Apfelhälfte zerteilte, hob Bunce entgeistert die Hände.
    »Willst du Bäume fällen, John? Oder ein Schwein abstechen? Wenn du dir nicht die eigene Hand abhackst, dann erwischt es den jungen Elsterstreet neben dir ...«
    Man brauche keine Axt, um einen Apfel zu zerteilen, erklärte ihnen der Leiter der Vorbereitungsbrigade. Das Fleisch würde braun anlaufen oder zu Mus werden. Es war fast Essenszeit, als John das Messer ergriff – wie ihm scheinen wollte, zum tausendsten Mal –, mit der Hand die Schnittlinie bestimmte, spürte, wie die Klinge die wächserne Haut durchtrennte und das Fleisch zerschnitt. Die Schneide senkte sich auf
das Brett. Zwei sauber zertrennte Apfelhälften fielen auseinander. John sah erwartungsvoll zu Mister Bunce.
    »Ich hab Hecken gesehen, die besser geschnitten waren«,

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