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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Norfolk
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Wolken von Küchengerüchen, und der Geruch feuchter Leichentücher war entschwunden wie das fettige Wasser, das in den Ausguss der Spülküche floss.
    Statt zwischen Hütte und Wiese lief er nun zwischen Henry Palewicks Wurzelspeichern und Apfelkammern hin und zurück oder in die Keller, wo Fässer und Tonnen sich in der Dunkelheit reihten. Wie er einst am Berghang Kräuter gepflückt hatte, holte er nun in Tücher gewickelte Käse oder Zwiebeln, die in Netzen in den Speisekammern hingen. In Underleys Zerwirkkammer schabten John und Philip Borsten in Barney Curles Schubkarren und schaufelten Därme hinein, befreiten das Fleisch von Sehnen und Fett. Im Hauptküchenraum hackten sie das Fleisch, und in der Gewürzkammer sahen sie zu, wie Melichert Roos es mit gemahlenem Fenchelsamen und Muskat würzte.
    Das Frühjahr kam. Aufs Neue wurden Festmähler ausgerichtet. Aus dem großen Saal oben war wieder Mister Pounceys näselnde Stimme
zu vernehmen, deren schrille Töne bis in die Küchengewölbe drangen, wenn er die Sitzordnung am Tisch der Vornehmen verkündete.
    »Mylord Hector und Mylady Callock von Forham und Artois! Lord Piers Callock von Forham und Artois! Mylady Musselbrooke, Marquise von Charnley! Mylord Fell, Graf von Byewater! Mylord Firbrough! Der Marquis von Hertford!«
    Zur Fastnachtszeit gesellten sich zu Sir Hectors schäbigen Gefolgsleuten die der Suffords von Mere und der Rowles von Brodenham. Zu Michaeli kam der Bischof von Carrboro samt Gefolge. Lange Reihen von Pferden klapperten die Zufahrt entlang. In der Küche bekam man den Eindruck, als hätte es jede neue Gästeschar darauf angelegt, noch mehr hungrige Münder mitzubringen als ihre Vorgänger. Die mittägliche Hauptmahlzeit ging in das Nachtmahl über, und das Nachtmahl war kaum beendet, bevor das Frühstück des nächsten Tages seinen Anfang nahm. Die Tage flossen ineinander und rauschten zuletzt dem krönenden Festmahl entgegen, bei dem alles und jeder in der Küche schrie und klapperte, krachte und fluchte, spritzte, brüllte und dröhnte.
    »Ganz wie in alten Zeiten«, bemerkte Mister Bunce zufrieden. »Man hat nicht mal Zeit, in einen Pott zu pinkeln.«
    Doch trotz aller Geschäftigkeit wuchs Unrast in John. Die Küche würde ihn leiten, hatte Scovell versprochen. Doch für jedes Gericht, das er meisterte, stiegen vor seinem inneren Auge ein Dutzend weitere Gerichte auf. Jede neuerworbene Geschicklichkeit seiner suchenden Finger zog eine Unzahl neuer Aufgaben nach sich. Dass die anderen Jungen ihn mittlerweile aufsuchten, weil ihre Saucen sich trennten oder ihr Fleisch beim Kochen zerfiel oder ihre Cremes umso wässriger wurden, je länger sie sie schlugen, lag nur daran, dass sie nicht ahnten, wie unwissend er in Wahrheit war. Die Küche kannte keine Grenzen, dachte er, wenn er Colin und Luke beim Begießen oder Vanian beim Formen von Teigstücken zusah. Wenn er neben Philip auf dem Strohsack einschlief, träumte John von Prozessionen von Servierbrettern, die auf den Schultern der Servierbrigade Quillers weggebracht und die Treppe hinaufgetragen
wurden, leer zurückkamen und wieder gefüllt wurden, und endlos so weiter ...
    Er stand früher auf als die anderen Jungen und sank als Letzter auf seinen Strohsack. Wenn das Licht des Herdfeuers verglomm, unterhielten sich die Küchenjungen. Alf erzählte von seiner Schwester, während Adam und Peter die Reize von Ginny und Meg verglichen. Adam behauptete, er habe sie nackt gesehen. Die Jungen stützten sich auf die Ellbogen und spitzten die Ohren. Aber Johns Gedanken wanderten zu dem Rosengarten zurück und zu dem weißen Knöchel unter dem dunkelgrünen Rock. Zu dem spitznasigen Gesicht in der Sonnengalerie. Dann überkam ihn quälende Unruhe, ein Wirrwarr aus Gefühlen, die sich neue Wege in seinem Inneren bahnten. Ihm war, als röche sein Schweiß anders als früher. Dunkle Behaarung wanderte seinen Bauch hinauf. Warum sollte Lucretia Fremantle hier unten seine Gedanken heimsuchen? Auch seine Stimme veränderte sich und fügte dem Küchenlärm ihre eigenen unberechenbaren Schwankungen hinzu. Und dann, als Melichert Roos’ Gewürzkammer bis unter die Decke mit Vorräten gefüllt war und als die ersten Schweinehälften in die Zerwirkkammer gebracht wurden, verstummten die dröhnenden, klappernden und knallenden Geräusche in der Küche. Es war Lady Annes Todestag.
    Wieder dämpften Haferschleim und Salzfisch im Herd. Wieder verschwand Scovell aus den Küchenräumen. Öde schleppte sich der

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