Das Festmahl des John Saturnall
Tantalus ist uns Kunde als von einem, so den Teller zu reichlich füllte, als er seinen Sohn Pelops gekocht und dem Zeus servieret. Denn jener mächtigere König spie seine Portion aus und kettete Tantalus in einem Teich an, solcherart beschaffen, den Tantalus zu foppen und zu narren; das Wasser entrann, wenn er sich beugte, um zu trinken, und die Trauben entwichen, wenn er nach ihnen greifen wollte, um sie zu essen. Die einen sagen, König Tantalus habe sich an den Göttern versündigt, weil er Ambrosia stahl, um es den Menschen zu geben, die anderen behaupten aber, es sei Nektar gewesen. Dies sei dahingestellt; doch dieser Koch aus alter Zeit und ich haben uns einstmals verschworen, um ein Gericht zu bereiten, das meinen Untergang so unfehlbar hätte herbeiführen können wie die Speise des Erzeugers des Pelops den seinen. Denn der Zufall mag zwar der wirkmächtigste Geist in der Küche sein, doch die Bosheit ist sein würdiger Rivale, wie sich mir enthüllt.
Man bereite zuerst einen kurzen Mürbeteig mit viel kalter Butter und backe ihn in einer runden Form, so groß
man wagt. Indes der Teig auskühlt, forme man den Tand eines Königs wie goldene Münzen aus hartem Biskuit oder einen juwelengeschmückten Ring oder eine Krone aus Zuckerwerk. Mit dicker Zuckerglasur verleihe man dem Spielzeug gehörigen Glanz. Es wird den Boden des tantalischen Teiches zieren.
Sein Wasser bereite man aus bernsteinfarbenem Gelee, mit Hirschhorn verfestigt und mit Madeirazucker gesüßt, und man kläre dieses Gelee über einer Wärmepfanne auf kleinem Feuer. Und nun naht die Stunde, sich gegen den Zufall zu wappnen. Eine so beschaffene Flüssigkeit verkohlt sogleich, wenn man sie nicht stetig beobachtet, und auch die Pfanne verdirbt.
Nun zur Glasur. Man gebe geraume Zeit vorher zwei Eisen in das Feuer, bis sie fast glühend erhitzt sind. Man führe eines der Eisen bis zu zwanzig Mal über das Gelee, gebe es dann in das Feuer zurück und verfahre mit dem anderen genauso und setze dies fort, bis die Oberfläche sich zu kräuseln und zu schmelzen beginnt und zugleich die Klarheit behält, welche den Tantalus so verlockte. Man lasse das Gelee auskühlen. Doch man sei auf der Hut vor der Bosheit, denn auch sie wird sich beizeiten einfinden ...
DER KÜCHENJUNGE RUPFTE EINE HANDVOLL Federn aus dem Vogel, stöhnte und stopfte die Federn in einen Sack zu seinen Füßen. Er drehte sich auf seinem Hocker um und blickte zu dem Herd. Zwischen den Stangen und Halterungen des Bratspießes und den Winden und Ketten mit Haken für die Kessel stand die Wärmepfanne.
Holzkohlen glühten unter einem Kupfertiegel. In dem Topf stiegen Blasen gemächlich zur Oberfläche auf. Dem Jungen war am Morgen aufgetragen worden, das Gefäß nicht aus den Augen zu lassen. Er schüttelte den Tiegel vorsichtig und sah die Zuckerkörner im langsamen Strudeln der Flüssigkeit schwimmen. Dann widmete er sich wieder dem Rupfen.
Die Brustfedern lösten sich in daunigem Gestöber, aber die Schwanzfedern widersetzten sich, als wären sie festgenagelt. Der Küchenjunge schnaufte und zerrte. Der Vogel dehnte und streckte sich, und seine blassgelbe Haut löste sich vom Fleisch.
»Hör zu ziehen auf!«, rief eine ungehaltene Stimme von einer entfernten Stelle des Arbeitstischs. »Du zerreißt noch die Haut!«
Der Koch sandte dem Jungen einen wütenden Blick und legte das Messer hin, mit dem er dünne weiße Teigblätter für die hölzerne Kuchenform vor ihm zurechtgeschnitten hatte. Höchstens fünf Jahre Altersunterschied lagen zwischen ihm und dem Küchenjungen, doch er schüttelte tadelnd den Kopf, als wären die Jahre Jahrzehnte.
»Zu meiner Zeit«, sagte Philip Elsterstreet in gequältem Ton, während er den halbgerupften Vogel in die Hand nahm, »wurden die Vögel bei jedem Wetter draußen im Hof gerupft. Wenn du den Vogel so hältst und die Federn so rausziehst«, sagte er und demonstrierte es, »und zu
jammern und zu seufzen aufhörst, dann wird die Arbeit vielleicht mehr nach deinem Geschmack sein.«
»Gewiss, Master Elsterstreet«, antwortete der Junge, worauf Philip seufzte.
»Es heißt Mister«, korrigierte er. »Schlicht und einfach.« Dann nickte er, und Hilfskoch und Küchenjunge blickten zum Herd. »Und lass die Pfanne nicht aus den Augen, wie man es dir aufgetragen hat.«
Es war Simeon Parfitts dritter Tag in der Küche. Andere Köche hätten ihm eine deftige Abreibung verpasst, das wusste er. Coake hätte ihm den Fasan über den Kopf gehauen und
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