Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
ist sie verjährt«, knurrte Johnsen. Die mehr oder minder heimliche Hoffnung in Ritters Worten nährte seine eigene Ungehaltenheit. »Da braucht man auch keinen Anwalt zu fragen. Da reicht es, wenn man lesen kann und den richtigen Paragrafen im Strafgesetzbuch findet. Klar ist das alles verjährt. Das ist nicht der Punkt. Gott, du Vollidiot!« Er warf halbherzig die Fernbedienung nach Ritter. Sie prallte ihm gegen die Brust und klirrte gegen die Bierflasche in seinen Händen. »Du hast deinen Kopf auch nur, dass es dir nicht in den Hals regnet, oder? Du bist genauso dumm wie dieser Bulle. Ihr kriegt das beide nicht auf die Kette. Dass es Dinge gibt, die offiziell verjähren können, aber bei denen man trotzdem so richtig in den Arsch gekniffen ist, wenn sie irgendwann rauskommen.« Er trank einen Schluck Scotch. Hatte seine Stimme tatsächlich gezittert, oder hatte er sich das nur eingebildet? Seine Finger jedenfalls zitterten,das konnte er daran sehen, wie heftig der goldbraune Whisky gegen die Ränder des Tumblers schwappte. »Wir dürfen jetzt nicht in Panik verfallen. Sonst sind wir ruiniert. Dann können wir uns gleich einen Strick nehmen.« Erstaunlicherweise spürte er seit langer Zeit so etwas wie Verständnis für das oft unglaublich irritierende Verhalten seiner Schwägerin. Vielleicht war das ganz zum Schluss der einzige Ausweg, der ihm noch bleiben würde: sich umzubringen. Aber so weit war es noch nicht. »Wenn die anderen sie wirklich gesehen haben, haben wir vielleicht noch eine Chance«, sagte er ruhig. »Wenn sie es wirklich war und falls sie es auf uns abgesehen hat, dann …« Er stürzte den letzten Schluck Whisky hinunter. »Ach, vergiss es.«
»Horst …« Ritter war kreidebleich. »Mir ist was eingefallen.«
»Ich rufe ihn nicht an, verdammt!«, knurrte Johnsen.
»Wenn sie es wirklich ist und dieser Bulle sie findet …« Ritter schluckte. »Dann erfahren doch auch alle, was wir damals gemacht haben, oder?«
Trotz der Wärme des Whiskys in seinem Magen fror Johnsen plötzlich, als hätte sich eine dicke Schicht Raureif über seine gesamte Haut gelegt. »Scheiße …«, murmelte er, und eine weitere Möglichkeit, die er bislang noch nie bedacht hatte, nährte sein Grauen: Was, wenn Peter Frigge keinen Unfall gehabt hatte? Was, wenn er seinen Wagen nach seiner angeblichen Begegnung mit ihr absichtlich gegen einen Baum gelenkt hatte, weil das am Ende der einzig elegante Abgang war, der ihnen allen noch offenstand?
71
Möhrs erinnerte sich daran, dass Aysel ihm einmal gesagt hatte, in Schwarz sähe jeder gut aus. Doris Frigge stellte den lebenden Gegenbeweis für diese These dar. Ihre Kombination aus langem Rock, Bluse und Strickweste ließ die Witwe gute zehn, fünfzehn Jahre älter erscheinen, als sie tatsächlich war – wie ein gramgebeugtes Großmütterchen mit einem rundlichen Gesicht, in das sich um die Mundwinkel tiefe Falten gegraben hatten. Dieser Effekt einer vorzeitigen Alterung wurde sicher noch dadurch verstärkt, dass das Interieur des renovierten Bauernhofs fünfzehn Autominuten von Güstrin entfernt so bunt war: Die freiliegenden Deckenbalken waren in dunklem Blau und kräftigem Rot gestrichen, gelbe und grüne Bordüren mit Blumenmustern zierten die Wände, Platzdeckchen und Tischläufer in Orange und Lila das Mobiliar.
Frigge hatte Möhrs sofort hineingebeten, als er an ihrer Tür geklingelt hatte. Er hatte beinahe das Gefühl, sie hätte nur darauf gewartet, dass er bei ihr auftauchte. Nun ja, vielleicht nicht er persönlich, sondern nur irgendjemand von offizieller Seite, der sie noch einmal zu den Umständen des Unfalls ihres Mannes befragen wollte, doch das störte Möhrs nicht weiter. Es war in jedem Fall eine erfrischende Abwechslung von Leuten, die bei seinem Anblick innerlich sofort in die Defensive gingen.
Nachdem sie ihn in ein lichtdurchflutetes Esszimmer mit großen Fenstern auf einen weitläufigen Garten voller blühender Sträucher geführt hatte, bot sie an, ihm einen Tee zu kochen. Er brachte es nicht übers Herz, das Angebot auszuschlagen. Sie servierte den Tee dampfend heiß in einer breiten flachen Tasse, mit Kandiszucker, Sahne und dänischen Keksen. Für Möhrs ein eindeutiges Indiz, dass es sie von irgendwo aus Friesland in die südlicheren Regionen Schleswig-Holsteins verschlagen haben musste.
»Ich habe von Anfang an gewusst, dass es kein Unfall war«, sagte sie mit fester Stimme.
Möhrs rührte seinen Tee um. »Frau Frigge, bitte verstehen Sie
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