Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
Begegnung. »Schön, dass Sie gekommen sind.«
Katja nahm Platz und stellte fest, dass sie noch immer den Schokoriegel in der Hand hatte, der in seiner Verpackung inzwischen weich geworden war. Sie steckte ihn in ihre Jackentasche. »Sie wollten mir etwas erzählen.«
»Ja. Sie haben die Wahrheit verdient.« Saalfeld richtete den Blick an Katja vorbei zur Tür. »Ganz unter uns.«
Katja drehte sich halb um und sah, worauf Saalfeld anspielte. Über der Tür war eine Überwachungskamera installiert.
»Man behält mich hier gut im Auge«, sagte Saalfeld.
»Das hat seine Gründe, finden Sie nicht?«
»Wenn Sie meinen.« Saalfeld nickte schwach. »Ich war wirklich fest entschlossen, es zu tun. Jetzt weiß ich, dass das ein Fehler war. Oh, als dieser Mann mich aus der Wanne geholt und mir den Finger in den Hals gesteckt hat, da war ich noch anderer Meinung. Wenn ich die Kraft gehabt hätte,hätte ich mich dagegen gewehrt. Aber ich war kaum bei Bewusstsein. Und mittlerweile bin ich ihm sogar dankbar. Wissen Sie, weshalb?«
»Weil Ihnen eingefallen ist, was Sie Ihrem Sohn damit angetan hätten?«
»Nein.« Saalfeld musterte Katja lange und forschend. »Ich bin diesem Mann dankbar, weil er mich davor bewahrt hat, als Lügnerin aus dem Leben zu gehen. Ich habe immer versucht, aufrichtig zu sein. Manchmal ist mir das nicht gelungen, aber wir machen alle unsere Fehler, die wir hinterher bereuen. Ich hätte von Anfang an ehrlich zu Ihnen sein sollen.« Ein Schatten legte sich über ihr ausgezehrtes Gesicht. »Ich habe Ihren Onkel gehasst. Abgrundtief. Wie jeden aus diesem Kraftwerk. Er war einer von denen, die mir meine Julia weggenommen haben. Und er war einer der Schlimmsten. Weil er immer freundlich blieb und lächelte, wenn ich ihn mit meinen Vorwürfen konfrontierte, ganz egal, ob in der Öffentlichkeit wie bei dieser Präsentation im Bürgersaal oder privat unter vier Augen. Dieses geheuchelte Verständnis für meine Situation hat mich wahnsinnig gemacht. ›Ich sehe, woher Ihre Bedenken rühren, Frau Saalfeld.‹ ›Ich weiß sehr genau, worauf sich Ihre Ängste gründen.‹ ›Ihr Verlust ist eine Tragödie.‹ Haben Sie Kinder?«
Katja schüttelte den Kopf.
»Dann können Sie mich nicht verstehen. Dann begreifen Sie nicht, wie groß mein Hass auf diese Leute ist. Wie ich jeden Tag damit fertig werden muss, dass sie noch am Leben sind, obwohl meine Tochter ihretwegen gestorben ist.«
Katja schlug die Beine übereinander. Sie wurde zunehmend ungeduldiger, weil sie das untrügliche Gefühl hatte, lediglich die einzige Zuschauerin bei einer von langer Hand geplanten Aufführung zu sein. Nichts, was sie bis jetzt von Saalfeld gehört hatte, überraschte sie.
»In der Nacht, in der Ihr Onkel ermordet wurde, war ich an seinem Haus«, sagte Saalfeld. »Zweimal.«
Katja grub die Fingernägel in die Handballen, weil dieses absurde Stück nun doch noch die Wendung zu nehmen schien, die sie insgeheim herbeigesehnt und gefürchtet hatte.
»Das erste Mal war ich mit einer Dose Farbe und einem Pinsel dort«, fuhr Saalfeld fort. »Haben Sie gesehen, was ich damit vorhatte?«
»Restrisiko Tod«, murmelte Katja und sah die Schmiererei vor ihrem inneren Auge deutlich vor sich, rot und zerlaufen, als wäre die Botschaft in Blut geschrieben.
»Im ersten Augenblick war ich stolz darauf«, sagte Saalfeld. »Ich hatte ein Zeichen gesetzt. Ganz bewusst. Keine Kurzschlussreaktion. Alle, die es sehen wollten, würden sehen, was für ein Mensch er wirklich war. Auf dem Weg nach Hause hätte ich schreien können vor Glück. Es war eine riesige Befreiung. Die Zeit der Diskussionen und der endlosen Debatten war vorbei. Ich hatte endlich Taten sprechen lassen. Zwei Stunden war ich völlig euphorisch. Ich glaubte sogar, ich hätte einen Weg gefunden, meinen Kampf fortzusetzen. Den Kampf, von dem mir alle erzählten, ich hätte ihn doch längst gewonnen, weil das Kraftwerk vom Netz ging. Dann endete der Rausch, und ich merkte, dass ich in Wahrheit nichts, aber auch gar nichts erreicht hatte mit meiner Aktion. Wer würde sie ernst nehmen? Wer würde auch nur länger als eine Minute darüber nachdenken? Da wurde mir klar, dass ich mehr tun musste. Viel mehr.«
Katja brach der kalte Schweiß aus. Jetzt war es wohl so weit. Jetzt würde diese Verrückte sich offenbaren. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, als sie realisierte, was Erika Saalfeld ihr damit tatsächlich antun würde. Was dieses Geständnis für sie und Thilo bedeutete.
»Ich bin
Weitere Kostenlose Bücher