Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
zurück zu seinem Haus.« Saalfelds leise Stimme füllte den gesamten Raum, und für Katja klang es, als dränge sie von allen Seiten gleichzeitig auf sie ein. »Diesmal mit einem Messer. Ich stellte es mir so leicht vor. Ich würde klingeln. Ich würde warten, weil er natürlich schlief und es eineWeile dauern würde, bis er die Tür öffnete. Aber er würde mir öffnen. Weil er ja so ein guter Mensch war, und wenn da eine Frau mitten in der Nacht bei einem klingelt und völlig aufgelöst erzählt, sie wäre mit dem Wagen liegen geblieben und müsste nur schnell telefonieren, weil sie auch noch ihr Handy daheim vergessen hat, welcher gute Mensch würde dann nicht die Tür öffnen? Also ja, er würde mir öffnen. Dann würde ich ihm das Messer in den Bauch stoßen. Er würde viel zu überrascht sein, um den Angriff abzuwehren. Und ich würde weiter zustechen, wieder und wieder, bis er zusammenbricht. Danach würde ich die Polizei rufen. Ich würde mich nicht verstecken. Ich wollte, dass alle wissen, wer es war. Und warum ich es getan habe.«
»Aber so ist es nicht gekommen.« Katja zuckte zusammen, als sich die Anspannung in ihrem Körper löste. »Mein Onkel wurde nicht erstochen.«
»Nein«, bestätigte Saalfeld. »Und wissen Sie auch, weshalb?«
Katja schwieg. In ihr regte sich kalte Wut. Hier ging es gar nicht um sie oder ihren Onkel. Hier ging es um etwas vollkommen anderes.
»Jemand war schneller und entschlossener als ich«, sagte Saalfeld. »Als ich das Haus sah, schlugen im ersten Stock schon die Flammen aus dem Fenster. Ich dachte, ich hätte den Verstand verloren. Dass es nur eine Halluzination war. Dass ich träumte. Doch das Haus brannte wirklich. Und ich wusste, dass das kein Unfall war. Ich stand an der Straßenecke. Fassungslos. Bis ich die Sirenen hörte. Dann rannte ich nach Hause. Ich warf mich aufs Bett und weinte. Irgendwann bin ich eingeschlafen, und als ich aufwachte, war meine Entscheidung gefallen. Mein Kampf ist vorbei. Ein anderer wird ihn für mich fortsetzen. Ich kann gehen, bevor mich die Leere ganz auffrisst. Ich kann bei Julia sein.«
»Wissen Sie, wie sich das für mich anhört?« Katja machte sich nicht die Mühe, ihre Abscheu zu kaschieren. »Als gäbees nur Ihr völlig krankes Selbstmitleid. Sie reden die ganze Zeit über sich. Merken Sie das? Ich kann gehen. Ich kann bei Julia sein. Ich würde ihm das Messer in den Bauch stechen. Als ob alle anderen Menschen um Sie herum nur noch Statisten auf Ihrer ganz persönlichen Bühne sind. Glauben Sie etwa, Sie sind der einzige Mensch auf der Welt, der lernen musste, mit einem Verlust zu leben?«
Saalfeld schloss die Augen und drehte den Kopf zur Seite. »Ich habe Ihnen ja gesagt, dass Sie nicht verstehen können, wie es ist, ein Kind zu verlieren. Was das in einem anrichtet.«
»Kann sein. Glauben Sie meinetwegen, was Sie wollen«, sagte Katja ohne jede Rücksicht auf die Gefühle dieser schrecklichen Person im Bett. »Aber jetzt werde ich Ihnen zur Abwechslung mal etwas erzählen. Etwas, womit ich mich leider nur allzu gut auskenne. Etwas, das ich bedauerlicherweise besser verstehe, als mir lieb ist. Sparen Sie sich Ihr falsches Pathos. Dieses Gerede von Entscheidungen, die Sie treffen, und irgendeiner Leere, die Sie auffrisst. Sie sind nicht anders als andere Leute. Sie sind Ihnen nicht moralisch überlegen oder so. Das, was Sie gestern getan haben, war nicht mehr als ein Hilferuf. Sie wollten nicht sterben. Nicht wirklich.«
»Was erlauben Sie sich?« Saalfelds Kopf fuhr herum. »Sie haben doch keine Ahnung, wovon Sie reden.«
»Ein halbes Jahr, nachdem mein Vater gestorben ist, fing meine Mutter damit an, Tabletten im Badezimmer zu horten.« Bereits mit den ersten Worten gelang es Katja, Saalfeld in ihren Bann zu ziehen. Der Preis dafür war die enorme emotionale Wucht, mit der Katjas Erinnerungen zurückkehrten. Sie schnürte ihr schier die Kehle zu. »Sie hat sie nicht versteckt. Neben ihren Schminksachen lagen sie, in der Ablage unter dem Spiegelschränkchen. Ich habe sie entdeckt. Ich fragte meine Mutter, was das für Medizin ist. Sie gab mir keine Antwort. Weil sie diese Tabletten nicht für mich dort platziert hatte. Jemand anders sollte sie finden. Ein Erwachsener.Und er fand sie. Tage später.« Katja dachte an den ohnmächtigen Zorn in Bernds Gesicht, als er die Badezimmertür aufriss, mit offenem Hosenschlitz und einer der Packungen in der Hand. »Er hat sie alle die Toilette hinuntergespült. Meine Mutter fing an
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