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Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)

Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)

Titel: Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole Kristiansen
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es ein Symbol für die Macht des Allvaters Wotan und für die Art und Weise, wie die neun Welten des Kosmos untrennbar miteinander verknüpft sind.«
    Katja hielt sich üblicherweise für einen toleranten Menschen, aber sie konnte sich nicht dagegen wehren, dass ihr Lüdersens Erklärungen vorkamen wie aus einem dieser Fantasyrollenspiele, von denen ihr Thilo erzählt hatte. »Das ist sehr interessant.«
    Grinsend deutete Lüdersen auf ihren Hals. »Wofür Ihr Anhänger steht, brauchen Sie mir nicht zu erklären.«
    »Das ist nicht meiner.« Ihre Hand legte sich automatisch schützend über das kleine Kruzifix, das ihr Veronika Möllner aufgedrängt hatte. »Ich meine, er war ein Geschenk.«
    »Schon gut. Sie müssen sich nicht für Ihren Glauben entschuldigen, genauso wenig wie ich mich für meinen.« Er erhob sich geschmeidig und klopfte sich den Hosenboden sauber. »Was wollen Sie denn nun von mir wissen?«
    Katja zögerte. Lüdersen mochte eine ungewöhnliche Erscheinung sein, und seine Weltanschauung deckte sich nicht mit der ihren, doch in dieser Hinsicht war er unter den vielen Menschen, mit denen sie bislang Interviews geführt hatte, kein Unikat. Trotzdem wurde Katja kalt, und ein dumpfer Druck breitete sich in ihrem Schädel aus. Hier und heute ging es nicht darum, einen sozialen Missstand anzuprangern oder auf eine bedenkliche gesellschaftliche Entwicklung aufmerksam zu machen. Alles hehre Ziele, für die sie sich gern einsetzte. Weil es sonst keiner tat. Weil es irgendjemand tun musste. Doch Katja hatte immer darauf geachtet, dass die Grenze zwischen ihr als Person und ihrer Funktion als Journalistin gewahrt blieb. Dass sie vieles nicht zu sehr an sich heranließ, um das für ihre Arbeit nötige Maß an Distanz zu wahren. Daran war heute nicht zu denken. Was sie von Lüdersenzu hören hoffte, betraf ihre ureigensten Empfindungen. Da war keine Distanz, keine Grenze. Vielmehr war sie erfüllt von Wut auf denjenigen, der ihren Onkel umgebracht hatte, von mühsam im Zaum gehaltener Trauer über ihren Verlust, ihrer unterschwelligen, durch neuen Ermittlungseifer nur bedingt zu lindernden Angst darüber, ins Visier des Täters geraten zu sein, und von einer noch größeren Furcht, bei der Suche nach ihm zu versagen. Katja zwang sich, die Situation wie eine Außenstehende zu betrachten. Was hatte sie schon davon, sich ihren Ängsten und Befürchtungen hinzugeben? Nichts. Außer einem Gefühl der Ohnmacht. Wahrscheinlich war es genau das, was ihr Widersacher erreichen wollte, und es war dieser Gedanke, der Katjas Trotz weckte. Sie war kein Spielzeug, keine Marionette, kein Opfer. Sie würde das Spiel gegen diesen Kerl auf keinen Fall verlieren. Sie ging in die Hocke und zeichnete mit dem Finger das Symbol in die Erde, über dessen Sinn und Zweck Lüdersen sie aufklären sollte. »Was ist das?«
    Lüdersen betrachtete das Zeichen keine zwei Sekunden, bis er eine Antwort parat hatte. »Eine Rune. Aus dem Futhark. Vordergründig ist sie ein R.«
    »Aber sie hat noch eine andere Bedeutung?«, bohrte Katja nach.
    »Ja«, sagte er. »Sie ist einer bestimmten Gottheit zugedacht. Forseti. Dem Gott des Rechts und des Gesetzes.«
    »Recht und Gesetz? Hört sich fast so an, als wäre das einer der guten Götter.«
    »Nun ja, kommt darauf an, wie man es sieht.« Lüdersen wischte die Rune mit seinem nackten Fuß weg. »Ich würde dafür plädieren, dass er weder gut noch böse ist. Er sorgt nur dafür, dass das Gesetz gewahrt bleibt und so die Ordnung der Welt erhalten wird.«
    »Dann ist er eine Art … Naturgewalt?«, versuchte Katja, das hinter diesem Gott stehende Konzept nachzuvollziehen.
    »Ja, wenn man so will«, sagte Lüdersen. »Eine Naturgewalt.Ein grundlegendes Prinzip, dem sich alles beugen muss.«
    Katja merkte, dass sie ihre Fragen präziser formulieren musste, um Lüdersen davon abzuhalten, zu sehr ins weite Feld der Metaphysik abzuschweifen. »Was würde es bedeuten, wenn man jemandem so eine Rune wie die hier als Drohung schickt? Was würde mir der Absender Ihrer Meinung nach damit sagen wollen?«
    »Dass Sie sich aus seiner Sicht besser nicht der Gerechtigkeit in den Weg stellen sollten.« Er taxierte sie durchdringend. »Würde ich zumindest aus dem Bauch heraus vermuten.«
    Katja nickte. Ihr Besuch hier hatte sich schon gelohnt. Lüdersen ahnte es wohl nicht, doch er hatte ihr soeben ein wichtiges Detail über den Mörder ihres Onkels verraten: Er sah sich offenbar selbst auf einer Art heiliger Mission.

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