Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
Hier war er auch gestorben. Auf diesem Bett, oder vielmehrdiesem Haufen aus verbogenem Metall und verbranntem Holz, der davon noch übrig war.
Sie konzentrierte ihren Blick auf den Schrank, an dessen linker Säule für den Überbau Bernd bereits herumdrückte. Abgesehen davon, dass der Schrank über und über schwarz war, weil der Lack versengt war, hatte er den Brand einigermaßen gut überstanden. Eine seiner Türen für die oberen Fächer hatte er eingebüßt, und das Bord dahinter war durchgebrochen, weil Flammen an ihm genagt hatten. Buntbedruckte Stoffreste verrieten Katja, dass ihr Onkel seine Bettwäsche dort verstaut hatte.
»Es ist an der rechten Säule«, raunte sie Bernd zu. »Auf der Seite, die zu dir hinzeigt.«
»Oh.« Er wechselte die Position und drückte an der von ihr beschriebenen Stelle, während sie mit dem Handy für Licht sorgte.
»Na bitte«, flüsterte sie aufgeregt, als die Holzverkleidung ein Stück nach innen klappte. Das Kratzen der kleinen Tür des Geheimfachs kam ihr so laut vor wie Donnerhall.
»Es klemmt«, vermeldete Bernd. »Es hat sich alles verzogen. Kannst du reinfassen? Ich halte es auf.«
Sie rückte noch dichter an ihn heran und quetschte ihre Finger durch den entstandenen Spalt. Das Innere des Fachs war kühl und feucht. Wasserdicht war es also leider nicht. Sie bekam etwas zu fassen, das sich unter ihren Fingerspitzen wie glattes Plastik anfühlte. Sie zog daran, es entglitt ihr. »Dreck!« Sie unternahm einen zweiten Versuch, mit mehr Kraft. Etwas stach in ihren Handrücken, doch sie zuckte nicht zurück. »Komm, komm, komm!«, feuerte sie sich weiter an. Bestimmt war es nur ein Splitter oder ein Nagel, der da über ihre Haut kratzte, und nicht die spitzen Finger einer Geisterhand, die sie zu packen versuchten. Da! Sie hatte das Ding wieder. Sie verrenkte ihre Hand, um es irgendwie nach oben zu befördern. Im Spalt spitzelte die Ecke einer flachen Mappe hervor. »Nimm du sie!«, zischte sie Bernd zu.
Mit vereintem Geschick gelang es ihnen, die Mappe aus dem Geheimfach zu befreien. Sie war auf den ersten Blick ein unspektakulärer Fund. Ein aufklappbares blaues Plastikmäppchen mit zwei Einschubfächern, wie zum Aufbewahren von Fahrzeugpapieren oder anderen wichtigen Dokumenten. Katjas Begeisterung erfuhr einen weiteren Dämpfer: Der Brand hatte dafür gesorgt, dass die oberen zwei Drittel des Mäppchens miteinander verschmolzen waren. Im Licht von Bernds Taschenlampe klappten sie es so weit auf, wie es sich eben noch aufklappen ließ.
»Fotos«, hauchte Katja.
Das eine war nicht sehr aufschlussreich. Sie glaubte graue Wellen und den weißen Rumpf eines Schiffes zu erkennen.
»Könnte die ›Straßmann‹ sein«, meinte Bernd.
Das zweite Foto brachte Katjas Gefühl, nicht allein im Haus zu sein, schlagartig zurück. Es war eine Gruppenaufnahme von Personen, die dicke Jacken und Thermohosen trugen und dicht an dicht vor einer Reling standen. Nach oben hin waren sie wegen des bedauernswerten Zustands des Mäppchens leider knapp über der Hüfte abgeschnitten. Einer dieser Männer war Frieder, da war sich Katja absolut sicher. Und die anderen, das waren Johnsen und Ritter und Burmester und …
»Verdammt«, keuchte Bernd neben ihrem Ohr. »Das hilft uns nicht weiter. Der ganze schöne Bruch umsonst.«
Katja blinzelte zweimal, um zu garantieren, dass sie sich ein winziges Detail der Aufnahme nicht nur einbildete. Tat sie nicht. Es blieb, wie es war. »Nicht völlig umsonst.« Sie tippte auf die interessante Stelle auf dem Foto. »Das, mein Freund, sind ohne jeden Zweifel Frauenhände.«
»Echt?«
»Hundertprozentig.« Die Hände gehörten zu einer Person ziemlich exakt in der Mitte, um die sich alle anderen gruppiert hatten. »Und die Jacken. Ich schwör dir’s. Das ist von der letzten Fahrt ins Eismeer, bei der auch Saalfeld dabei war.«
»Fängst du jetzt wieder damit an?« Bernd klappte das Mäppchen zu. »Warum willst du nicht glauben, dass sie unschuldig ist?«
Sie nahm ihm das Fundstück ab und klappte es wieder auf. »Reg dich ab. Das ist nicht Saalfeld. Sieh doch hin. Diese Frau ist viel zu klein. Sie ist – « Katja verstummte. Alte Häuser gaben gewiss Geräusche von sich. Aber es klang normalerweise nicht wie ein entsetztes Stöhnen.
Sie wirbelte herum. Eine düstere Gestalt stand auf der Türschwelle, leicht vornübergebeugt wie zum Sprung geduckt. Anstatt sich auf Katja und Bernd zu stürzen, wandte sie sich jedoch um und rannte die Treppe
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