Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
abgrundtief böse Bestie versteckt hatte. Hinzu kam Möhrs’ kryptische Erkundigung nach Orten, an denen Frieder Souvenirs an seine Zeit auf See aufbewahrte. Je länger Katja darüber nachgedacht hatte, desto mehr hatte es in ihren Ohren so geklungen, als wollte Möhrs wissen, wo Frieder eine Art verbotene Trophäensammlung eingelagert haben könnte. Was, wenn sein Verbrechen an dieser geheimnisvollen Unbekannten, der Möhrs nachspürte, kein Einzelfall gewesen war? Und so hatten sich Katjas Gedanken im Kreis gedreht, und sie war erneut bei ihren Erfahrungen mit Frieder als fürsorglichem und liebevollem Onkel gelandet. Und bei einer Episode, die sich abgespielt hatte, als ihr Vater noch kein Jahr tot gewesen war.
»Er hat eine Woche auf mich aufgepasst, weil meine Mutter nach München zu einer Tagung musste«, hatte sie Bernd erzählt. »Ich gehe davon aus, dass er sich dafür extra Urlaub genommen hat. Er kann damals noch nicht lange in Güstrin gewohnt haben. Es muss kurz nach der letzten Fahrt der ›Straßmann‹ gewesen sein. Egal. Das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass ich mich damals ständig an Colaflaschenüberfressen habe. Weil mein Vater mir immer welche mitgebracht hat, wenn er sonntags morgens losging, um Brötchen zu holen. Ich war vorher schon süchtig danach gewesen. Aber in der Zeit habe ich sie so richtig in mich reingestopft. Ich habe sogar mal eine Packung aus dem Penny um die Ecke geklaut. Ich hatte Angst, ich könnte vergessen, wie sie schmecken. Und wenn ich das vergessen hätte, hätte ich auch meinen Vater vergessen. Völliger Blödsinn. Kinderlogik. Jedenfalls hatte mir meine Mutter einen Vorrat davon zu Frieder mitgegeben, aber er hat gleich kapiert, dass die Dinger in den Mengen nicht gut für mich sind. Er hat sie mir weggenommen und rationiert. In den ersten zwei Tagen habe ich das ganze Haus danach abgesucht. Ich habe jede Schranktür aufgemacht und jede Schublade aufgezogen. Ich bin auf die Schränke geklettert und hinter das Sofa gekrabbelt. Ich habe sogar draußen im Schubkarren seines einen Gartenzwergs nachgesehen, da, wo er seinen Zweitschlüssel versteckt hatte. Nichts. Aber er musste sie irgendwo haben, so viel war klar. Am dritten Tag dämmerte mir, dass ich die falsche Taktik fuhr. Es brachte nichts, das Haus zu durchwühlen. Ich musste ihn ausspionieren. Er würde mich früher oder später zu den Colaflaschen führen. Und so war es. Ich stellte mich kurz vor dem Abendessen schlafend und schlich ihm nach, kaum hatte er mich dreimal angesprochen, um zu sehen, ob ich eingeschlafen war. Er ging zu diesem Schrank in seinem Arbeitszimmer. Ein alter Bauernschrank. Ein riesiges Ding. Der Unterbau hatte drei große Schubladen wie eine Kommode. Darauf aufgesetzt, auf zwei Stützen rechts und links, gab es noch den Oberschrank. Jetzt kommt’s. Er hat seitlich auf eine dieser Stützen gedrückt, und dann klappte ein Teil davon nach innen. Ich hatte vorher noch nie gesehen, dass es bei solchen Schränken wirklich Geheimfächer gibt. Es war auch nicht sehr geräumig. Etwa in der Größe eines Hotelsafes, würde ich sagen. Und da holte er die Tüte mit den Colaflaschen raus. Ichquietschte vor Glück. Er drehte sich um, zu Tode erschrocken. Dann lachte er erst und wurde sofort wieder ernst. Ich fragte ihn, was das für ein Fach ist, und er sagte so was zu mir wie: ›Da sind die Sachen drin, die mir niemand wegnehmen soll.‹ Ich fand das lustig. Er wurde noch ernster und meinte, das müsse unser Geheimnis bleiben. Er hat mich bestochen, damit ich ihm das verspreche. Mit einer doppelten Ration Colaflaschen. Und ich habe mein Versprechen gehalten. In erster Linie deshalb, weil ich es die meiste Zeit über vergessen hatte, und wenn es mir mal einfiel, kam es mir nie so wichtig vor, als dass ich darüber dringend mit jemandem hätte reden müssen.«
Bernd hatte nach ihrer Erzählung ihre eigenen Zweifel an der Sinnhaftigkeit ihres Unterfangens genau auf den Punkt gebracht. »Wenn ich mir das so anhöre, könnte es gut sein, dass wir am Ende nur ein paar alte Pornos und Frieders Reisepass in diesem geheimen Schrankfach finden.«
Ungeachtet dessen waren sie um halb zwei mit dem Jaguar nach Güstrin aufgebrochen. Sie parkten an der Hauptstraße und näherten sich zu Fuß der Sackgasse, in der Frieders Haus lag. Bernd hatte seinen grauen Anzug gegen eine schwarze Jeans und ein schwarzes Hemd getauscht, aber je näher sie ihrem Ziel kamen, desto mehr war Katja davon überzeugt, dass es
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