Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
und Richter, die mir nicht gesagt hätten, ich hätte das Ganze provoziert. Die mich nicht gefragt hätten, warum ich das alles über mich ergehen ließ, ohne richtigen Widerstand zu leisten. Nein, ich fand es besser, nichts zu tun. Auch wegen meiner Arbeit. Was hätten die Leute an meinem Institut über mich gesagt? Ich wollte kein Mitleid. Ich wollte nicht die sein, hinter deren Rücken immer getuschelt wurde, was ihr doch Schlimmes zugestoßen ist. Ich wollte alles vergessen. Mehr nicht.«
»Aber das konntest du nicht.« Katja machte einen halben Schritt auf Veronika zu. Sie konnte nicht glauben, dass diese Frau, die ihr ein Kruzifix geschenkt hatte, einfach kaltblütig abdrücken würde. Ihr Instinkt sagte ihr, dass da ein Mensch vor ihr stand, der eine Geschichte zu erzählen hatte. Und sie selbst war nicht nur eine gute Zuhörerin, sondern sie hatte auch ein Talent dafür, die richtigen Fragen zur richtigen Zeit zu stellen.
Je länger sie es schaffte, Veronika zum Weiterreden zu ermuntern, desto größer wurden auch ihre Chancen, Veronika dazu zu bewegen, sie zu verschonen. »Du konntest es nicht vergessen, oder?«
»Nicht vergessen. Nur verdrängen. Tief in mir begraben.« Veronikas Stimme begann zu zittern. »Aber es hat mich krank gemacht. Ich lag tagelang nur im Bett. Kraftlos. Ausgelaugt. Das ging über Monate so. Ich redete mir ein, es hätte mit meiner Doktorarbeit zu tun. Dass ich davon überfordert wäre. Mir war jede Ausrede recht. Und jede Fluchtmöglichkeit. In den Phasen, in denen ich dazu in der Lage war, bin ich nachts um die Häuser gezogen. In Bars und Clubs. Trinkenund Tanzen. Und dann bin ich ihm begegnet. Klaus. Es war Liebe auf den ersten Blick.«
»Obwohl du das alles mit dir herumgetragen hast? Diesen ganzen seelischen Ballast?« Ein Teil von Katjas Frage fußte auf aufrichtigem Interesse, wie Veronika mit ihrem Trauma umgegangen war. Gleichzeitig nutzte sie die Gelegenheit, einen weiteren kleinen Schritt auf Veronika zuzumachen. »Wie hat es sich angefühlt, dich in einen Mann zu verlieben, nachdem andere Männer dir so etwas angetan hatten?«
»Du kennst ihn nur krank«, sagte Veronika. »Sonst würdest du mich das nicht fragen. Ich habe ihn mir nicht zufällig ausgesucht. Groß. Stark. Und er hat nie mehr von mir verlangt, als ich ihm geben konnte. Der ideale Beschützer. Der Mann, der dafür sorgen würde, dass mich nie wieder jemand so verletzen kann. Ich weiß nicht, was ohne ihn aus mir geworden wäre. Wahrscheinlich wäre ich schon lange tot.«
»Ich verstehe das trotzdem nicht.« Noch ein halber Schritt. »Wenn du das alles angeblich so gut verdrängt hast, wie konnte es dann wieder hochkommen?«
»Schicksal.« Die unangreifbare Überzeugung einer Fanatikerin sprach aus ihr. »Was soll es sonst sein, wenn ich zwanzig Jahre danach einen Hof ausgerechnet in dem Ort kaufe, in dem sie mir einer nach dem anderen über den Weg laufen? Einfach an mir vorbeigehen oder vor mir beim Bäcker in der Schlange stehen. Ich habe auf den Boden geschaut oder mich umgedreht, sobald ich sie sah. Sie haben mich nie bemerkt.«
Katja fröstelte bei dem Gedanken, dass auch ihr Onkel womöglich seiner späteren Mörderin begegnet war, ohne etwas davon zu ahnen, dass ihn seine Vergangenheit eingeholt hatte. »Aber du hast sie wiedererkannt, und alles war wieder da?«
»Nicht auf einen Schlag. Ich habe dagegen angekämpft. Ich wollte das nicht. Ich war glücklich.« Sie warf einen Blick auf den Scheiterhaufen. »So glücklich, wie ich sein konnte. Dann hatte Klaus seinen Unfall.«
»Du hast deinen Beschützer verloren.« Der nächste kleine Schritt. »War es das? Eine Art Notreflex?«
»Nein.« Der Lauf der Pistole schien sich um eine Winzigkeit zu senken. »Ich habe mir zunächst einen Mann gesucht, von dem ich dachte, er könnte die Rolle von Klaus übernehmen. Jemanden, der nie einen Hehl daraus gemacht hat, wie attraktiv er mich fand. Der deswegen sogar mit Klaus aneinandergeraten ist.«
»Thies.« Katja wagte einen längeren Schritt. Nun trennten sie keine drei Meter mehr von Veronika.
»Ich fühlte mich bei ihm sicher. Eine Weile zumindest. Der entscheidende Abend war der, an dem dieser junge Feuerwehrmann bei mir seine Verlobung feierte. Einer von ihnen war zu diesem Fest eingeladen. Ich hatte nicht mit ihm gerechnet und war wie erstarrt. Er hat mich gesehen. Und dann war es genau umgekehrt. Er hat weggeschaut. So getan, als wäre ich eine Fremde. Du kannst mir glauben: Wenn er nicht
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