Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
doch irgendwann auf mich zugekommen wäre, hätte ich selbst dann noch alles einfach auf sich beruhen lassen. Aber er hat mich auf dem Hof abgefangen, als ich aus dem Kühlschrank in der Scheune noch eine Kiste Champagner holen wollte. Und weißt du, was das Schlimmste war?«
»Was?«
»Er fasste mich am Arm und versuchte, sich bei mir zu entschuldigen.«
»Was war daran schlimm?«
»Wie er es getan hat.« Veronika verzog angewidert das Gesicht. »Was er gesagt hat. Dass er das alles nie vergessen hat. Aber dass ich mich aufgeführt hätte wie eine Schlampe. Und sie mich deswegen auch so behandelt hätten.«
Katja setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen. »Und dann hast du beschlossen, Rache zu nehmen und ihn zu töten?«
»Nein.« Veronika wich ein Stück vor ihr zurück. »Ich habe in diesem Moment nur gemerkt, wie unglaublich dumm undnaiv ich all die Jahre gewesen bin. Wie ich mich die ganze Zeit weiter von diesen Männern habe missbrauchen lassen. Dass ich in ihren Köpfen immer nur ein Stück Dreck war. Ich habe genau das getan, was sie von mir erwarteten. Ich habe mich ihnen gefügt. Doch das war jetzt vorbei. Und das sagte ich ihm auch. Ich rannte zu meinem Auto und fuhr los. Ich wollte zur Polizei. Mir war klar, dass alles längst verjährt war. Sie wären dafür nicht ins Gefängnis gegangen. Aber Güstrin ist eine kleine Stadt, in der die Leute viel reden. Wenn ich bei der Polizei nur laut genug war, würden früher oder später alle erfahren, was diese feinen Herren in Wahrheit sind.«
Katja fragte sich einen Moment, was sie von ihrem Onkel gehalten hätte, wenn sie noch zu seinen Lebzeiten davon erfahren hätte, was sich auf der »Straßmann« abgespielt hatte. Hätte sie ihm jemals wieder ins Gesicht sehen können? Hätte sie überhaupt noch auch nur ein einziges Wort mit ihm gewechselt? Sie schüttelte den Kopf. Es war überflüssig, sich darüber Gedanken zu machen. Ihr Onkel war tot, seine Mörderin nicht. »Du warst aber nie bei der Polizei. Warum nicht?«
»Weil es anders kam. Er verfolgte mich. Ich habe seine Scheinwerfer im Rückspiegel gesehen, und ich habe darum gebetet, dass er mich nicht einholt. Und meine Gebete wurden erhört. Er kam von der Straße ab und prallte gegen einen Baum. Sein Wagen fing Feuer. Ich habe gewendet und bin auf die Flammen zugefahren. Er lebte noch. Er schrie. Er hat mich gesehen. Um Hilfe gebettelt.«
Katja fand nicht die Kraft für einen weiteren Schritt. Ihre Knie zitterten zu sehr. Hatte sie sich getäuscht? War Veronika viel brutaler, als sie ihr zutraute? »Und dann? Dann hast du einfach zugeschaut, wie er verbrannt ist?«
Ein knappes Nicken. »Und mir ist noch etwas klar geworden, wie er sich da wand und anfing, mich wieder zu beschimpfen. Als er kapierte, dass ich keinen Finger rührenwürde, um ihn zu retten: Diese Männer hatten noch viel mehr verdient, als nur ihren guten Ruf zu verlieren. Sie hatten den Tod verdient. Ich musste an das denken, was Thies mir immer über das Feuer erzählt hat. Dass es alles ausbrennt. Dass es reinigt. Den, der ein Verbrechen begangen hat, und den, der zu seinem Opfer wurde. Bis dahin hielt ich das für dummes Gerede. Aber als ich den Mann brennen sah, wusste ich, was Thies meinte. Ich bin weggefahren. Zurück auf die Feier. Niemand hat gemerkt, dass ich fort war. Ich habe mit keinem darüber geredet, was in dieser Nacht geschehen ist. Mit keinem außer Thies.«
»Natürlich.« Unter normalen Umständen wäre Katja stolz gewesen, den nächsten Teil des Rätsels zu durchschauen. Hier jedoch – umringt von Bäumen, die im Dunkeln wirkten wie vielarmige, klauenbewehrte Ungeheuer, in unmittelbarer Nähe einer Leiche und angesichts der unfassbaren Beichte Veronikas – verspürte sie nur Grauen anstelle von Triumph. »Und Thies hat dir recht gegeben. Das waren doch dieselben Männer, die seine kleine Tochter auf dem Gewissen hatten. Sie mussten bestraft werden. So wie man es früher getan hat. In der Zeit, als noch alle an seine Götter glaubten. Und dann habt ihr gemeinsam meinen Onkel und Erich Lippert getötet.« Katja leuchtete mit der Taschenlampe den Scheiterhaufen an. »Und wer liegt hier? Wer war der Nächste?«
»Der mit der Glatze. Burmester.« Hart hallte Veronikas Stimme durch die Nacht. »Er brennt auch bald.« Sie deutete mit der Pistole zum Rand der Lichtung. »Siehst du den umgestürzten Baum da? Geh da rüber.«
»Wozu?« Katja nahm all ihren Mut zusammen und leuchtete Veronika wieder ins
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