Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
Gesicht. »Wenn du mich erschießen willst, kannst du es auch hier tun. Und wäre es nicht besser, meine Leiche gleich mit zu verbrennen?«
»Dich verbrennen?« Veronika blinzelte und schüttelte barsch den Kopf. »Das habe ich nicht vor. Ich bin kein Monster. Geh jetzt zu dem Baum. Da ist etwas, das ich brauche.«
Katja atmete innerlich auf. Tränen verschleierten ihr den Blick, als sie auf den Baum zuging. Sie biss die Zähne zusammen und konzentrierte sich auf den unebenen Waldboden.
»Ein Stück weiter rechts«, wies Veronika sie an. »Ja, genau da.«
Neben dem vermoderten Baumstumpf stand ein roter Kanister mit dem orangefarbenen Warnaufkleber für brennbare Flüssigkeiten.
»Dreh den Deckel auf und bring ihn her.«
Katja gehorchte. Der Geruch des Benzins hatte für sie etwas Tröstendes. Etwas von Zivilisation in dieser barbarischen Wildnis, in die sie unvermittelt hineingeraten war. Das Benzin schwappte und gluckste fröhlich in seinem Behälter, als sie ihn zurückschleppte.
»Verteil es. Erst rundherum, und den Rest dann gleichmäßig von oben.«
Katja klemmte sich die Taschenlampe zwischen die Zähne und befolgte die Anweisungen. Beim Legen der Benzinspur besudelte sie sich die Schuhe und beim Verspritzen des restlichen Kanisterinhalts die Hände. Das verdunstende Benzin sorgte für ein kaltes Brennen auf ihrer Haut. Sie stellte den Kanister ab und wischte sich die Hände am Hosenboden trocken. Sie baute ihre gesamten Hoffnungen darauf, dass Veronika nicht bemerkt hatte, wie nah Katja ihr beim Verschütten des Benzins gekommen war.
»Danke«, sagte Veronika, heisere Erregung in der Stimme.
Katja nahm die Taschenlampe aus dem Mund. »Darf ich dich noch etwas fragen?«
»Sicher. Alles, was du willst.«
»Warum hat Thies sich umgebracht? War das ein Ritual, das schiefgelaufen ist?«
»Thies hat sich nicht umgebracht«, antwortete Veronika gelassen. »Ich habe ihn getötet.«
»Du? Ich dachte, er wäre dein Beschützer gewesen.«
»Das dachte ich auch. Aber er war nur ein Lügner und Betrüger. Und beinahe schon ein Mörder.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Ich hatte keine Wahl«, erklärte Veronika. »Er hat Burmester allein getötet. Ohne Absprache mit mir. Er hat ihn beobachtet und war überzeugt, Burmester hätte fliehen wollen. Also hat er ihn mit seinem Auto von der Straße abgedrängt. Burmester war sofort tot. Thies hat die Leiche trotzdem geborgen. Weil er das an ihr vollziehen wollte, was er für die gerechte Strafe hielt. Ihr die Hände brechen. Sie kastrieren. Er meinte, es wäre für das Ritual nicht so wichtig, ob der Verurteilte dann noch am Leben ist oder nicht. Nur eines wollte er nicht.« Veronika sog scharf die Luft ein. »Er wollte nicht, dass er brennt. Nicht bei ihm auf dem Hof. Das wäre zu gefährlich. Wegen der vielen Feuer in letzter Zeit. Aber er musste doch brennen. So wie die anderen.«
Katja war kurz davor, schreiend in den Wald zu rennen. Möglicherweise war eine Kugel in den Rücken gnädiger, als immer tiefer in diesen Wahnsinn einzutauchen. »Du hast Thies getötet, weil er die Leiche nicht verbrennen wollte?«
»Nein.« Veronika klang fast pikiert. »Wir sind nur darüber in Streit geraten, und er hat einige Dinge gesagt, die er besser nicht gesagt hätte. Er hat mir vorgehalten, was er schon alles für mich getan hätte. Beteuert, wie sehr er mich doch lieben würde. Er hätte mich doch befreit.«
»Befreit? Von wem? Von was?«
»Von Klaus. Er hätte gesehen, wie unglücklich ich auf dem ›Hirschhof‹ bin. Wie Klaus mich unterdrückt und mir vorschreibt, was ich zu tun und zu lassen hätte.« Veronika stockte. »Hatte er nicht eigenhändig dafür gesorgt, dass ich gemeinsam mit ihm so stark und frei sein konnte, wie ich wirklich war?«
Katjas Hände zitterten so sehr, dass der Lichtkegel der Taschenlampe auf Veronikas Oberkörper hin und her tanzte. »O Gott! Er hat – «
»Ich weiß«, fiel ihr Veronika kühl ins Wort. »Der Unfall meines Mannes war kein Unfall. Dieser Balken hat ihn nicht von allein fast erschlagen. Thies muss sich in die Scheune geschlichen haben, als Klaus allein dort gearbeitet hat. Ein kleiner Stoß gegen einen der Balken, die noch an der Wand lehnten, und schon war es vorbei. Ich bin mir sicher, Thies dachte, Klaus würde das nicht überleben. Aber er ist zäh.«
»Wie hast du das geschafft? Ihn zu töten, meine ich.«
»Er war stark, aber nicht so schlau, wie er dachte.« War es Zufriedenheit oder Bedauern, was Katja hörte?
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