Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
toleranten Menschen, aber sein grundsätzliches Verständnis für Andersdenkende hatte dennoch seine Grenzen. Nämlich spätestens dort, wo das Andersdenken Gewalt gegen Dritte beinhaltete. »Verstehe.«
»Er ist kein Nazi. Mit denen hat er nichts am Hut.« Veronika schüttelte den Kopf. »Er hat mir das mal genau erklärt. Er zündet keine Dönerbuden an, und er singt auch nicht im Suff das Horst-Wessel-Lied. Er ist eben nur kein Christ, und es frustriert ihn sehr, dass Leute wie er ständig mit den Rechten in einen Topf geworfen werden.«
»Dann will ich nichts gesagt haben.« Bernd kam sich einigermaßenborniert und dämlich vor, was ihm für seinen Geschmack immer noch viel zu häufig passierte. Es sah ganz so aus, als ob ein Jaguar, eine Eigentumswohnung in der Rothenbaumchaussee und ein feiner Anzug eben doch nicht dazu in der Lage waren, einen weltoffenen Gentleman aus ihm zu machen. »Aber man denkt eben automatisch an die Nazis, wenn man an nordische Mythologie – «
»Nein! Nein! Nein!«
Das Gebrüll aus der Scheune wurde erst von einem heftigen Schlag und dann von Klirren begleitet.
»Klaus! O Gott, Klaus!« Veronika rannte an Bernd vorbei zum Scheunentor und stieß es aus vollem Lauf heraus auf. »Klaus! Beruhig dich doch! Klaus!«
Bernd eilte hinter ihr her, so schnell ihn sein lädiertes Knie trug.
Klaus Möllner stand in der halbdunklen Scheune inmitten umgeworfener Biertischgarnituren. Eine der Bänke war durch die Glastür eines Promokühlschranks gerammt. Schaumiges Bier aus zerbrochenen Flaschen rann in dünnen Strömen an der Sitzfläche herab.
»Klaus! Was hast du denn?«
Möllner fletschte die Zähne. Seine Lippen bebten. »Nein!«, grollte er. »Nein!« Er bückte sich nach einer der Bierbänke und hob sie so mühelos über den Kopf, als wäre sie aus Balsaholz. »Nein!«
Bernd fasste nach Veronikas Schulter. »Vorsicht!«
Sie schüttelte seine Hand ab. »Halten Sie sich da raus!«
»Nein!«
»Leg die Bank weg, Klaus.« Ihr Tonfall war der einer Mutter, die einem Tobsuchtsanfall ihres Nachwuchses mit bewundernswerter Gelassenheit begegnete. »Das ist nur Bernd. Den kennst du doch. Er hat gestern mit uns zu Abend gegessen. Du magst ihn.«
Bernd bemühte sich um ein möglichst unverfängliches Lächeln. »Hallo.«
Klaus starrte ihn an, wobei er den Kopf schieflegte. »Das Foto.«
»Genau.« Veronika nickte eifrig. »Er hat das schöne Foto von uns beiden gemacht.«
Ohne Bernd aus den Augen zu lassen, stellte Klaus die Bierbank ab.
»Warum bist du so wütend, hm?«, fragte Veronika und machte einen Schritt auf ihren Mann zu. »Was hat dich so aufgeregt, mein Schatz?«
Die Antwort war ein raues Flüstern, das Bernd einen eisigen Schauer über den Rücken jagte. »Der Teufel. Der Teufel.«
22
Es dauerte geschlagene zwei Stunden, die Scheune aufzuräumen. Bernd wollte Katja dazuholen, doch es stellte sich heraus, dass sie schlief: Sie lag komplett angezogen auf dem Bett, die Arme um ihr zugeklapptes Laptop geschlungen, den Mund leicht geöffnet. Bernd verzichtete darauf, sie zu wecken. Er widerstand sogar der Versuchung eines schnellen Schnappschusses mit hohem Erpressungspotenzial.
Als er zurück in der Scheune war, hatte Veronika in der Zwischenzeit ihren Mann zurück ins Haupthaus gebracht, wo sie ihn nach eigenen Angaben mit Hilfe eines seiner vielen Bildbände endgültig besänftigt hatte. Während sie gemeinsam Tische und Bänke abwischten und Scherben auffegten, erklärte Veronika ihm, dass sie die Scheune als Veranstaltungsort für Feste und Familienfeiern aller Art vermietete – ein schönes Zubrot zu dem Geld, das sie mit dem Gasthof verdiente. Klaus hatte ursprünglich geplant gehabt, auch kleine Kulturevents wie Lesungen oder Ausstellungenlokaler Künstler hier auszurichten. »Aber damit kannte er sich besser aus als ich, und ohne ihn wäre es nicht dasselbe.«
Nach der Aufräumaktion war ihr Oberteil durchgeschwitzt, und das Haar hing ihr in verklebten Strähnen ins Gesicht. Sie ahnte wahrscheinlich nicht, dass sie damit bei Bernd einige Pluspunkte in Sachen Attraktivität sammelte. Er mochte Frauen, die zupacken konnten, auch wenn er sich in den letzten Jahren darauf verlegt hatte, in jenen Revieren Hamburgs zu wildern, in denen die Damen seines Alters aussahen, als überließen sie sämtliche körperlichen Arbeiten lieber diversen Angestellten. »Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie ein echtes Energiebündel sind?«
»Ich lege mich einen Moment hin«,
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