Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
ein, dass das nicht gerade nett von ihr gewesen war.
»Du konzentrierst dich jetzt gefälligst auf das, weshalb wir überhaupt hierhergekommen sind, mein Fräulein. Andernfalls schleife ich dich an den Haaren ins Auto, und wir fahren zurück nach Hause.«
Eine krasse Ansage, die er nie in die Tat umgesetzt hätte. Er wäre höchstens allein gefahren, und wahrscheinlich nicht einmal das. Katja konnte ihn verstehen. Er machte sich Sorgen um sie.
Sie schaute auf die Terrasse. Er war fort. Auf dem Gartentisch lag noch das Buch, in dem er gelesen hatte. Eine Biografie über Helmut Newton. Fachliteratur sozusagen. Sie hatte keine Ahnung, wo er steckte. Sie würde sich ihre Aufmunterung woanders holen müssen.
Sie stand auf, setzte sich aufs Bett, nahm ihr Smartphone und wählte Enzos Nummer.
»Hi«, meldete er sich, und sie konnte das Lächeln auf seinem Gesicht vor sich sehen. »Na, du? Was treibst du?«
»Ich arbeite.«
»Heute? Am Feiertag?«
»Ich bin Freiberuflerin. Schon vergessen?«
»Und? Läuft’s?«
»So mittelprächtig. Mir fehlt die Inspiration.«
»Die kommt schon noch. Wolltest du nicht ins Kraftwerk?«
»War ich schon. Gestern.«
»Wie war’s?«
»Spannend.«
»Aha. Richtig verstrahlt worden?«
»Nicht wirklich.«
Er lachte sein helles Lachen, das ihr bisher immer so ansteckend vorgekommen war. »Schade. Ich hätte gedacht, du kriegst ein paar Superkräfte.«
»Mich hat da drin nichts gebissen.«
»Okay. Äh …« Er machte eine lange Pause. »Hör mal, ich bin gleich noch zum Brunch verabredet. Mit den Jungs vom Hockey. Da hat ein neuer Laden aufgemacht. Vegan. Soll aber total lecker sein. Können wir heute Abend noch mal telefonieren?«
»Gut. Ich melde mich. Bis dann.«
»Bis dann.«
Katja ließ enttäuscht den Kopf aufs Kissen sinken. Weder war sie dazu gekommen, vom Mord an ihrem Onkel zu erzählen, noch war Enzo ansatzweise aufgefallen, dass sie etwas auf dem Herzen hatte. Ganz schön bitter. Sie hätte gedacht, er wäre feinfühliger.
Als kleinen Trost aß sie den letzten Schokoriegel aus ihrem Vorrat. Dann kehrte sie an ihr Laptop zurück, tippte einige Sätze, löschte sie, und tippte haargenau die gleichen Worte.
Von irgendwoher trug der Wind Glockengeläut durch die offene Terrassentür und erinnerte sie daran, was heute für ein Tag war. Karfreitag. Überall auf der Welt saßen in unzähligen Kirchen Milliarden von Menschen zusammen und gedachten eines Mannes, der vor fast zweitausend Jahren gestorben war. Wie viele Leute außer ihr dachten wohl gerade an ihren Onkel? Nicht sehr viele. Und Frieder würde auch bestimmt nicht von den Toten auferstehen. Aber man konnte denjenigen zur Rechenschaft ziehen, der ihn zu einem Toten gemacht hatte.
Katja kaute auf den Spitzen einer der Haarsträhnen, die ihr aus dem Pferdeschwanz gerutscht waren, und dachte darüber nach, dass sie mit der Absicht, Frieders Mörder zu finden, nicht allein war. War sie diesem Kommissar gegenüber gestern zu aggressiv aufgetreten? Konnte sein. Andererseitshatte er sich auch nicht gerade freundlich aufgeführt. Katja folgte im Normalfall der selbstgewählten Devise: Komm niemandem krumm, der dir nicht krumm kommt. Hätte Möhrs sie mit seinem gesamten Auftreten und seinem Dampfwalzencharme nicht zuerst provoziert, wäre sie vielleicht nicht so bockig geworden. So jedoch hätte die ganze Situation im Kraftwerk leicht in einen hitzigen Streit ausarten können. Insofern konnte Katja diesem Feuerteufel irgendwie dankbar sein.
Bernd und sie waren nicht an der Brandstätte gewesen. Bis sie ihre Personalausweise zurückhatten, war das Feuer längst gelöscht gewesen. Bernd hatte sie – nicht ganz zu Unrecht – darauf hingewiesen, dass sie Möhrs bereits genug auf die Nerven gefallen war. Ihn weiter zu reizen wäre dumm gewesen. Noch dazu hatte es ja gar nicht auf dem Gelände des AKWs gebrannt, sondern nur in unmittelbarer Nähe. Da ihr niemand vorschreiben konnte, welche Seiten sie im Internet besuchte, hatte Katja ein bisschen über die Häufung von Bränden in der Umgebung von Güstrin recherchiert. Möhrs selbst hatte sie darauf gebracht. »Nicht schon wieder«, hatte er geächzt, als die Sirenen losgegangen waren.
Was, wenn sie bei ihren gestrigen Recherchen etwas übersehen hatte? Katja knackte mit den Fingerknöcheln und klickte die Seiten der Lokalzeitung an, auf denen über die Brandserie berichtet wurde. Ihre örtlichen Kollegen taten ihr Bestes, aus einem Minimum an vorhandenen Informationen
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