Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
nicht wieder rückgängig machen ließen. So war das Leben. So war die Welt.
Bernd humpelte in der von seinen eigenen Schritten geschaffenen Spur aus niedergetretenem Gras vom Fliederbusch zurück in Richtung der Scheune, von wo aus er seine Exkursion begonnen hatte. Dort angekommen, entlastete er sein Knie, indem er sich mit einer Hand an der roten Holzwand weiter vorantastete. Er hielt den Blick auf den Boden gerichtet, um etwaige Hindernisse rechtzeitig zu erkennen, bevor er sich auch noch den Knöchel verknackste. Das hätte ihm gerade noch gefehlt. Katja hätte es schamlos ausgenutzt, wenn er als Halbinvalide für die nächsten Tage ans Bett gefesselt wäre. Er konnte sie ja schlecht am Schreibtisch festketten, um sie von weiteren Ermittlungen auf eigene Faust abzuhalten, und –
»Versprich es mir!«, riss ihn eine laute Stimme aus seinen bedrückenden Gedanken. Dem Klang nach gehörte sie ohne jeden Zweifel zu einem großen, ungehaltenen Mann. »Du musst es mir versprechen!«
Aus dem Eingang des »Hirschhofs« war ein Kerl in den Hof getreten, dessen ungebändigte Mähne aus sonnengebleichtem blondem Haar ihm bis zwischen die Schulterblätter fiel. Sein Gesicht war von einem Bart überwuchert, dessen Farbe ein, zwei Nuancen dunkler war. Er war barfuß unterwegs. Um seine langen Beine schlackerten weite Wildlederhosen mit Schlag, und sein breites Kreuz steckte in einem weißen Leinenhemd mit einer aufwendigen Schnürung am tiefen Ausschnitt. Bernd schätzte, dass der merkwürdige Typ locker an die zwei Meter maß. Vielleicht lag er auch eine Handbreit daneben, weil Veronika, die unter dem Hirschgeweihstand, im Vergleich mit ihm den Eindruck einer Kleinwüchsigen erweckte.
»Das geht nicht.« Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und schüttelte den Kopf. »Und das weißt du auch. Das kann ich dir nicht versprechen.«
»Das kannst du nicht?«, rief der zottige Waldschrat. »Du solltest dir dringend darüber klar werden, was du wirklich willst. Bevor es zu spät ist.«
Er stapfte davon, und Bernd rechnete schon damit, dass er sich gleich auf ein Pferd schwingen würde, um im gestreckten Galopp vom Hof zu preschen. Stattdessen schloss er die Fahrertür eines wesentlich moderneren Fortbewegungsmittels auf: eines hellgrünen Lieferwagens älterer Fabrikation, dessen Stoßdämpfer quietschend protestierten, als er sich auf den Sitz wuchtete. Der Motor erwachte heulend zum Leben, Kies spritzte unter den Reifen auf. Veronika sah dem Wagen nach, bis er durch die Einfahrt nach rechts abgebogen war und die Landstraße entlangraste. Danach ließ sie ihren Blick über den Hof schweifen, und Bernd gelang es gerade noch, sich nicht instinktiv zu ducken, als er an ihm hängen blieb.
»Sorry.« Er gab sich nicht die Blöße, auf seinem Weg zu ihr zu humpeln wie ein Greis, auch wenn sein Knie ihn mit jedem Schritt für seinen falschen Stolz bestrafte. »Ich wollte Sie nicht belauschen.«
»Nein?« Sie musterte ihn kühl.
Ihren sichtlich geröteten Wangen nach zu urteilen, war sie entweder noch sauer auf den Lederhosenkrieger, oder es war ihr peinlich, dass ihr Streit mit ihm vor einem Zeugen stattgefunden hatte. Oder beides zusammen. Bernd hielt es für angebracht, ihr eine ihrer Sorgen zu nehmen. »Ich habe nur Ihren Freund zetern hören, als Sie beide aus der Tür kamen. Mehr habe ich nicht mitgekriegt.« Bernd hob die Hand wie zum Schwur. »Mein Ehrenwort. Wer war das überhaupt? Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, aber im ersten Momentdachte ich, er wäre von einem Mittelaltermarkt geflohen oder so.«
Ihr Lächeln wirkte zwar etwas gequält, doch immerhin lächelte sie. »Thies hat einen … sagen wir … extravaganten Stil.«
»Thies?«
»Mein Nachbar.«
»Was wollte er von Ihnen?«
»Meinen Hof. Er würde ihn mir gerne abkaufen.«
»Warum das?«
»Er ist ein Neuheide«, sagte Veronika. »Daher auch sein komischer Aufzug. Er träumt davon, eine Begegnungsstätte für Gleichgesinnte hier in der Gegend aufzubauen. Sein eigener Hof ist dafür zu klein. Seit Klaus’ Unfall denkt er anscheinend, er könnte mich davon überzeugen, meinen Hof aufzugeben.«
»Neuheide wie in …?« Bernd kratzte sich am Kopf. »Das ist so eine Esoteriknummer, oder nicht?«
»Lassen Sie ihn das bloß nicht hören«, empfahl sie ihm. »Er nimmt seinen Glauben sehr ernst.«
»Und an wen glaubt er?«
»An Donar und Wotan und all diese Götter, die die alten Germanen angebetet haben.«
»Oh.« Bernd sah sich eigentlich als
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