Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
möglichst fesselnde Artikel zu machen. Selbstverständlich scheiterten sie an dieser undankbaren Aufgabe. Klar, es war unschön, dass seit Wochen jemand Brände legte, aber lange Zeit waren nur Sachschäden zu beklagen gewesen. Bis eines Nachts in einem Stall ein Feuer ausgebrochen war, das über fünfzig Rinder das Leben gekostet hatte. Der Artikel dazu drehte sich indes mehr darum, berechtigtes Mitleid für das Schicksal der armen Tiere zu erregen, anstatt irgendwelche neuen Erkenntnisse zum Täter zu präsentieren. Erst von daan hieß der Brandstifter »Feuerteufel«. Alle nachfolgenden Brände forderten weder menschliche noch tierische Opfer, was für ein gewisses Abflauen des öffentlichen Interesses sorgte. In einem der letzten Berichte war sogar die Rede davon, das »Inferno« im Kuhstall könne womöglich gar nicht dem Feuerteufel zur Last gelegt werden, sondern es handle sich dabei unter Umständen um einen Unglücksfall.
Katja klappte ihr Laptop zu. Ein Unglücksfall. Es gab kaum ein Wort, auf das sie allergischer reagierte. »Wer’s glaubt …«, murmelte sie. Sie sah das ausgebrannte Haus ihres Onkels vor sich und hatte den Geruch kalter Asche in der Nase. Das war definitiv kein Unglücksfall gewesen.
Sie trat hinaus auf die Terrasse. Neben dem Aschenbecher entdeckte sie ein Streichholzbriefchen, auf das das grüne Geweih des »Hirschhofs« gedruckt war. Sie zündete eines der Streichhölzer an und schaute zu, wie sich das kleine Flämmchen vom gelben Kopf munter das schwarze Holz hinunter fraß. Wie konnte etwas so Winziges derart viel Zerstörungskraft in sich bergen? Sie brauchte sich nur umzudrehen, das Streichholz vorsichtig auf dem Kopfkissen abzulegen, und die Flamme würde sicher genug Nahrung finden, um zu einem Feuer anzuwachsen, das möglicherweise den gesamten Hof in Schutt und Asche legte. Die Hitze erreichte ihre Fingerspitzen. Sie schüttelte das Streichholz aus und warf es in den Aschenbecher. Der feine Duft von Rauch kitzelte sie in der Nase. Er weckte eine lange vergrabene Erinnerung an ausgepustete Kerzen auf einem Geburtstagskuchen. »Gut gemacht, mein Schatz, alle auf einmal geschafft«, lobte eine dunkle Männerstimme, von der die kleine Katja nicht hätte sagen können, ob es die ihres Vaters oder die ihres Onkels war.
Katja setzte sich an den Schreibtisch und klappte ihr Laptop auf. Der Cursor blinkte höhnisch.
21
Bernd war mit der neuen Canon sehr zufrieden. Die Detailaufnahme eines Admirals, der an einer Fliederblüte saugte, gefiel ihm besonders gut. Die kräftigen Farben des Schmetterlings und der Blütenblätter kamen prächtig zur Geltung, und die Details um die Flügelränder und die Beinchen des Insekts waren so gestochen scharf, dass es beinahe dreidimensional wirkte. Fast, als hätte Bernd das Tier vorsichtig vom Display pflücken können, wenn ihm danach zumute gewesen wäre.
Er erhob sich aus der Hocke, und sein Knie meldete sich mit einem deutlich vernehmbaren Knacken. Es folgte ein scharfer Schmerz, als ob ihm jemand ein Teppichmesser ins Gelenk geschoben hätte. Bernd sog Luft durch die Zähne und stützte sich an einem Zaunpfosten ab. Verdammt! Er war eben doch ein alter Mann, auch wenn er sich beim Durchstreifen des Geländes um den Gasthof um Jahrzehnte verjüngt gefühlt hatte. Es war alles wie früher, mit sieben oder acht, bei seinen Ausflügen mit den Pfadfindern. Zu jener Zeit in seinem Leben, als er noch nicht verlernt gehabt hatte, sich von den einfachsten Dingen faszinieren zu lassen. Von dem emsigen Gewusel unzähliger kleiner Leiber auf einem Ameisenhügel. Von Kaulquappen in einer tiefen Pfütze. Vom Rauschen eines Windstoßes in den Blättern eines Baums. Und jetzt, mit Ende fünfzig, brauchte es eine Kamera für ein paar Tausend Euro, um auch nur den Anflug von Begeisterung in ihm zu wecken. Was war nur mit dem kleinen Jungen in den kurzen Hosen passiert, der er einmal gewesen war? Ein romantisch veranlagter Mensch hätte sich wohl gesagt, dieses Kind hätte sich nur irgendwo im Inneren dieser gealterten Hülle aus morschen Knochen und faltiger Haut versteckt und wartete darauf, dass man es aus seinem Rückzugsort hervorlockte. Bernd war kein Romantiker. DerJunge war fort, und er würde auch nie mehr wiederkehren. Er hatte zu viel Schreckliches gesehen. Zu viel verloren, was ihm ans Herz gewachsen war. Zu viel Schuld auf sich geladen. Zu viele Lügen erzählt. Zu vielen anderen Menschen zu viel Leid zugefügt. Zu viele Dinge getan, die sich
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