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Das Feuer das am Nächsten liegt

Das Feuer das am Nächsten liegt

Titel: Das Feuer das am Nächsten liegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cherry Wilder
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Farben bemalt, mit seinen Glotzbullaugen, seinen Antennen, Ventilen, Schlössern war einfach überwältigend.
    Schon von Anfang an schien es ein eigenes Leben zu besitzen; ich konnte kaum glauben, daß es nicht aus eigenem Antrieb aufzusteigen und durch die Luft davonzubrausen vermochte. Ich erinnerte mich an den dünnen Faden der gleichen Angst, als ich den alten Palast der Tsatroys in Tsagul besichtigt und mir die berühmte alte Kriegsmaschine aus den Clan-Kämpfen angesehen hatte. Da stand stolz der Katapult mit einem Haufen Steinkugeln und gestrafftem Seil, als wäre er bereit, diese auf den Feind zu schleudern. Ich konnte nicht glauben, daß er von selbst losgehen würde.
    Sam hatte etwas im Luftschiff zu erledigen, also ging er hin und öffnete eine Tür: ein Laufsteg kam herab. Es war nicht die erst angenommene Magie; Sam benutzte seine weitreichende Einheit, sein „Sesam-öffne-dich“, eine der gräulichen Schachteln, die eine so große Rolle im Leben der Menschen zu spielen schien. Ich beobachtete, wie Sam in das Luftschiff stieg, und hoffte, daß er das Ungetüm beherrschen und es keine lauten Geräusche von sich geben lassen konnte. Dennoch vermochte ich nicht so nahe bei dem Gegenstand meiner Angst stehenzubleiben, und als ich mich davon abwendete, schien es glitzernd hinter mir zu lauern. Ich kehrte auf die Terrasse zurück, von wo aus ich die Menschen beobachtete, Karin, Lisa und wieder Sam, als er das Luftschiff verließ.
    Es war leicht zu erkennen, daß sie irgendeinem Muster bei ihrer Arbeit folgten, daß sie viele Aufgaben der Reihe nach taten, aber anfangs waren ihre Aufgaben rätselhaft, so daß ihre Geschäftigkeit planlos wirkte wie das Wimmeln der Inins, der Ameisen von Torin. In Wirklichkeit sammelten und untersuchten sie ihre Pflanzen- und Insektenarten, überprüften und regelten das Wasser- und das Abfallsystem für ihr Zelt.
    Die Zeit verging, aber wir merkten es nicht; wir hatten irgendwie einen Einklang gefunden, bei dem der Mangel an Verständigung kaum ins Gewicht fiel. Die Große Sonne senkte sich am Himmel, ich verfügte über drei fremde Namen und vier oder fünf fremde Wörter. Sam stieg wieder auf seine Terrasse und rief etwas aufgebracht. Die Mädchen erstarrten und schauten zu der Straße aus dem Wald. Dann erklang eine Stimme, und ich sprang schuldbewußt auf. Er humpelte aus dem Wald bis zur Grenze des Lagers.
    Anfangs sah er mich nicht und fragte mit besorgter Stimme: „Was habt Ihr mit Yolo Horn getan?“
    Tsorl-U-Tsorl war eine eindrucksvolle Gestalt: ein alter Krieger oder Seeräuber, wie die Menschen ihn nannten. Da stand er grimmig, erschöpft, mit zu Berge stehendem Haar, Armbinden, die das Licht einfingen, Armen wie poliertes braunes Holz. Wie er so weit mit seiner Ringgehhilfe kommen konnte, war mir ein Rätsel. Ich stand auf und rief ihm zu:
    „Hier bin ich. Alle sind so freundlich, wie Ihr es gesagt habt!“
    „Beim Feuer!“ brummte er. „Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Ich fand deinen Stab auf der Straße … und Fußabdrücke …“
    Ich rannte ihm entgegen, um ihm zu helfen, und erklärte ihm, wie man über die Pfade gehen müsse. Wir näherten uns der Terrasse, und ich sah, daß dort die Menschen mit gespannter Miene eng beieinander standen.
    „Abgesandter, lächelt um des Feuers willen … sie haben Angst vor Euch !“
    Da lächelte er und hob die Arme zum Gruß; er war der strahlende Politiker auf dem Balkon. Es glückte gut genug, und wir gingen auf sie zu. Diesmal klappte die Namensnennungszeremonie besser, denn ich war imstande, Tsorl vorzustellen – bei einer formellen Begrüßung ist es leichter, nicht seinen eigenen Namen zu nennen, sondern vorgestellt zu werden.
    „Ausgezeichnet“, sagte Tsorl, „sie sind freundlich, und in meinen Augen sehen sie nicht so unglaublich fremd aus. Sie scheinen mit ihren kleinen Augen genügend sehen zu können. Wo ist das Luftschiff?“
    Er wiederholte seine Frage gestikulierend, und Sam fing an, ihn zu verstehen.
    „Da drüben hinter den Bäumen“, sagte ich warnend.
    Tsorl humpelte mit seiner üblichen Forschheit sogleich los, wobei seine Augen vor Neugier funkelten. Die Menschen waren überrascht, aber sie führten uns hin, wenn Tsorl es nicht selber tat, und wir kehrten zu dem Ort zurück, an dem das glitzernde Ding lag.
    „Abgesandter …“ Ich zupfte an seiner Tunika.
    Schließlich begriff er es.
    „Yolo Horn“, sagte er, „Du bist aus Tsagul gebürtig. Du bist eine Grubenarbeiterin und dazu

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