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Das Feuer das am Nächsten liegt

Das Feuer das am Nächsten liegt

Titel: Das Feuer das am Nächsten liegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cherry Wilder
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der Kopf rauchte.
    Lisa Kind war eine freundliche und mütterliche Person; sie war die Heilerin unter den Menschen und verfügte über viele Arzneien und manche Heilgeräte. Abends massierte sie den Verdruß aus Sam-Deg heraus, indem sie seinen dicken unbehaarten Nacken knetete. Sie waren Partner, sie führten eine Art Zweierehe wie so viele in Tsagul, und sie hatten weit, ganz weit, unglaublich weit weg, so daß schon der Gedanke daran mir Kopfweh verursachte, ein männliches Kind, wie sie sagten, einen blaßhäutigen braunhaarigen Sohn, der Zak hieß. Er studierte, um Heiler zu werden und in einem Luftschiff wie seine Eltern in den Weltraum zu fliegen.
    Wenn ich an diese Trennung, an diese ungeheuren Entfernungen dachte, konnte ich es nicht fassen, wie irgendein denkendes Wesen solche Einsamkeit zu ertragen vermochte. Obwohl ich selbst weit weg von jeglicher Person war, die ich Familie hätte nennen können; ich wußte nicht, ob ich je meine geliebte Pflegemutter Morritt oder Gwell Nu wiedersehen würde, die mir so viel beigebracht hatte. Ich dachte manchmal an meine aufrichtigen Arbeitsgefährten in der Neuen Grube, Warkor und Clee; ich sah in meinen Träumen das hübsche Gesicht jenes Seilmeisters. Sie alle waren weit weg. Tsorls Fall war noch schlimmer; er war bloß noch ein Geist, und seine Freunde und früheren Anhänger konnten keine Ahnung haben, was aus ihm geworden war.
    Ich hatte große Mühe, den Menschen die Tatsachen für meine Entehrung und meinen Aufenthalt im Gefängnis von Itsik zu erklären. Sogar Karin gegenüber, mit der ich am engsten befreundet war, fühlte ich mich verlegen und befangen. Ich sei „an einem schlimmen Ort“ gewesen, stammelte ich. Ich hätte „schlimme Arbeit“ verrichtet. Ich bin sicher, daß solches Gerede sie besonders verwirrte im Vergleich zu den anderen Geschichten, die wir vom restlichen Torin erzählten, wobei wir nichts verschwiegen, es sei denn, daß unser Wortschatz dieser Aufgabe nicht gewachsen war.
    Karin war die jüngste der Menschen; ihr anderer Name lautete Schwartz, was kein Moruianer ohne viel Übung auszusprechen vermochte, also wurde sie Karin-Ru. Sie war eine Wissenschaftlerin, deren Hauptstudium Pflanzen waren, dann Tiere … alles, was auf dem Boden, in den Bäumen, im Wasser lebte. Das Ausmaß ihrer Aufgaben, die Eintragung so vieler neuer Dinge hätten sie eigentlich um ihren Verstand bringen müssen, aber sie blieb ruhig und heiter. Sie besaß endlose Geduld; ihr Geist konnte im Nu von weitschweifenden Gedanken über den ganzen Kontinent Torin – dessen Gebiete heiß oder kalt, feucht oder trocken waren – sofort auf die Betrachtung von zwei Graskäfern, die einen Grashalm hinaufkletterten, umschwenken. Sie fragte mich gründlich über die gewöhnlichsten Dinge aus.
    Heute bringt es mich zum Lachen, wenn ich an die holprigen Beschreibungen von Baumbären, Wollhirschen, Fischen, Plattschnablern zurückdenke, die als erstes in die Berichte von Yolo Horn, dem Kind der Stadt, kamen.
    Über ein seltenes Geschöpf hatte ich Erfahrung aus erster Hand: den Seesonner. Karin-Ru glaubte kein Wort von dem, was ich ihr über dieses Riesentier sagte; sie nickte weise, als ich die Arme ausbreitete, aber ich konnte sehen, daß sie glaubte, ich spänne ein Fischergarn. Ich hätte Tsorl-U-Tsorl zur Bestätigung meiner Geschichte herbeirufen können, tat es aber nicht aus Eigenstolz. Ich pflegte hinab zur Ruine des Wachtturms am Ende des Hafendamms der Tsatroys zu gehen und das Meer durch ein Ein-Aug-Glas zu betrachten. Ich sah einige Handelsschiffe in der Ferne vorbeifahren, aber keines legte an den Inseln an; der Anblick dieser Schiffe belustigte und erregte die Menschen. Karin-Ru sah immer gern ein Schiff, und ich wußte, daß sie dabei an ihren lieben Verwandten Scott Gale dachte. Sie hoffte immer noch, daß er mit einem Schiff zu seinen Freunden auf Tsabeggan zurückkehren würde.
    Eines Morgens, nicht lange bevor unsere Traumzeit zu Ende gehen sollte, wurde meine Geduld auf dem Vorgebirge belohnt. Ich rief Karin und tanzte und schrie, bis das ganze Lager herbeigerannt kam, in der Annahme, daß ich von einer Sandviper gebissen worden sei.
    Dort, weit draußen auf dem Meer schwamm ein Paar Seesonner im schwachen Morgenlicht. Mir gefällt die Vorstellung, daß es meine ganz eigenen Seesonner waren, die Mutter und ihr Junges, die wir mitten auf dem Ozean getroffen hatten. Die Sehgläser wanderten von Hand zu Hand, und alle Menschen waren von diesem Anblick

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