Das Feuer das am Nächsten liegt
Urnat. „Habt Ihr das gehört? Ich bin auch ein Dolmetscher.“
Er sagte das mit kecker kindlicher Stimme und lachte über seinen eigenen Witz.
„Kopf hoch, Sprechender Vogel!“ sagte er. „Stell dich zwischen den kleinen Urnat und die Teufel. Ich glaube, ich werde einen von ihnen zu meinem Glück auswählen – was hältst du davon? Das Eigene Glück des Glücks. Hat dir der Wind deine Stimme geraubt?“
„Nein“, sagte ich. „Guter Wind, edler Urnat. Wo ist denn dein edler Verwandter?“
„Er springt Seil“, sagte Urnat. „Ich bin viel behender als er. Ich bin ein Tänzer. Guck nur. Sag deinen Teufeln, daß auch sie zuschauen sollen.“
Ehe ich ein Wort sagen konnte, machte er drei Purzelbäume und vollführte eine komplizierte Tanzfigur auf dem Teppich. Die Menschen, denen das etwas rätselhaft vorkam, lachten und klatschten in die Hände. Urnat verbeugte sich vor ihnen.
„Ist das ihre Art und Weise, ihrem Vergnügen Ausdruck zu geben?“ fragte er.
„Ja, das ist es in der Tat“, sagte ich. „Sie wissen deine Kunst zu würdigen.“
„Mach nur weiter so“, quäkte er. „Du verstehst dich nicht aufs Schmeicheln, du bist darin nicht ausgebildet. Ich bin an dicke und schamlose Schmeichelei gewöhnt wie an Bohnensuppe. Stell mir deine Herrschaft vor!“
Das tat ich, und Urnat ließ mich ihn zu den Menschen führen.
Er bat sie, sitzen zu bleiben, und ging um sie herum, wobei er an ihrer Kleidung und ihrem Haar herumfummelte und Sams Glatze abtastete.
„Yolo“, zischte Sam durch seine Zähne, „der kleine Kerl ist sehr gewitzt. Ist er eine Art Hofnarr? Ein Unterhalter? Können wir ihn wegschicken?“
„Sam“, sagte ich und kam wieder auf das Gebiet der Ungläubigkeit. „Ich habe seinen Titel genannt. Er gehört der eigenen Familie des Großen Ältesten an: ein adoptiertes Glück. Es steht dem Großen Ältesten ebenso nah wie ein Kind oder sein Bruder. Wir dürfen ihn nicht wie einen Diener wegschicken.“
„Erwidere, erwidere! Ohne Geheimnisse!“ rief Urnat, und ich erwiderte in redigierter Fassung. Ich fand, daß ich die Schmeichelei sehr schnell erlernte und daß es eine Kunst war, die ich mißachtete.
„Frag seine Hoheit, wo Scott Gale ist“, drängte Lisa.
„Das ist die Hübscheste“, sagte Urnat und starrte Lisa an, „aber ich ziehe die mit dem gelblichen Kinderhaar vor. Karin hast du sie genannt. Bist zu sicher, daß sie weiblich ist?“
Ich antwortete ihm und stellte Lisas Frage.
„Eine gute Frage!“ lachte Urnat. Er schlug vor lauter Freude einen Purzelbaum.
„Obal ist gerade dabei, Verbindung mit Tsabeggan aufzunehmen“, sagte er. „Ein armer Musikant. Was für eine Belastung für meinen armen Freund, ein Zeuge zu sein.“
Ich übersetzte das und hoffte, daß die Menschen etwas davon verstehen würden.
„Was ist denn daran so schwierig, edler Urnat?“ fragte ich.
„Eine Gedankenverbindung mit Tiath ist schön“, sagte Urnat, „aber wer kann schon eine Gedankenverbindung mit einem Hohlkopf wie Mital Gullan aufnehmen? Ich bin sicher, daß es in Obals Kopf tagelang Schaden anrichten wird. Er wird mir nicht zum Tanz aufspielen können.“
Ich übersetzte auch das teilweise, und Sam wagte eine Frage zu stellen.
„Uns fällt es schwer, an einen Zeugen zu glauben. Warum versucht der Diener Obal mit einem Gardeoffizier auf Tsabeggan ‚Verbindung herzustellen’?“
„Welche andere Art gibt es denn, eine solche Entfernung zu überwinden?“ entgegnete Urnat. „Ihr Teufel mögt zwar Fernsprechmaschinen haben, aber wir haben keine. Vögel werden benutzt und Flugmaschinen und Läufer. Der Stimmen-Draht reicht nur so weit wie eben der Draht. Aber wir haben auch Gedankenkräfte, und manche besitzen sie in besonderem Maß. Wir sprechen durch Zeugen. Es ist schnell und vertraulich.“
„Das ist höchst interessant“, erwiderte Sam, „aber das ist nicht genau das, was ich gemeint habe. Welche Nachricht wird von der Insel Tsabeggan erwartet?“
„Sehr klug! Sehr klug!“ rief Urnat aus. „Der da ist ein beherrschender Geist, mit Haar oder ohne! Er glaubt, daß ich Geheimnisse preisgeben werde.“
Dann tanzte er im Gemach herum und sprang an den schwarzen Vorhängen hoch, um den versteckten Wächtern Tritte zu versetzen, so daß diese fluchten und stöhnten. Es war grausam, aber auch komisch; keiner von uns konnte sich eines Lächelns erwehren.
Ein Gardeoffizier steckte den Kopf in das Gemach und sagte verdrossen: „Hoheit, laßt uns in Ruhe. Wir tun nur
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