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Das Feuer der Wüste

Titel: Das Feuer der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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gekommen – einmal ein Fahrrad an der Ampel gestanden, einfach nur ein Fahrrad. Er hatte sich damals sehr gewundert, wie dieses Fahrrad einfach so hier stehen konnte. Doch als er näher kam, erkannte er, dass es sehr wohl auch einen Fahrradfahrer gab, einen schwarzen Mann in schwarzer Kluft. Er hatte an diesem Abend sehr über sein Erlebnis gelacht und sich gefragt, warum Weiße in weißen Kleidern vor weißen Wänden nicht unsichtbar würden.
    Jetzt hockte er hinter der Hütte des windigen Bootsverleihers am Hafen, der an alle und jeden Boote und Ausrüstungen verlieh, ohne viel zu fragen. David Oshoha lag an seiner Seite, blass und angespannt, aber zu allem bereit.
    Horatio fragte sich, was um Himmels willen Kramer bei dem Bootsverleiher wollte, aber diese Frage hatte er sich in den letzten Tagen schon viel zu oft gestellt, ohne eine Antwort zu finden. Er entdeckte Ruth hinter der Scheibe des Pick-up und ballte die Faust. Sie sah so müde aus, so blass.
    Vorgestern Früh hatte er endlich mit ihr sprechen wollen. Ganz in Ruhe, ganz ausführlich. Er hatte viel gearbeitet in den beiden Tagen zuvor, hatte Dinge ans Licht gebracht, von denen er nicht zu träumen gewagt hatte. Aber er hatte auch Dinge erfahren, die ihm Angst machten. Angst um Ruth. Ob sie seinen Brief gelesen hatte?
    Dass sie jetzt in Kramers Wagen saß, sprach nicht dafür. Er jedenfalls hätte am liebsten direkt Alarm geschlagen, als er ihr Zimmer in der Pension verlassen vorgefunden hatte und auch der Dodge vom Parkplatz verschwunden gewesen war. Er war sofort hinunter zur Pensionswirtin gelaufen, doch auch die hatte nichts über Ruths Verbleib gewusst. Und dann war da noch der Enkel von Davida Oshoha, den er in Lüderitz getroffen hatte. Horatio hatte schon lange bemerkt, dass Ruth und er verfolgt wurden. Bereits in Keetmanshoop hatte er den schwarzen Wagen entdeckt und darin David Oshoha erkannt. Er hatte Ruth nichts davon gesagt, um sie nicht zu beunruhigen, denn er wusste, dass David ein Feuerkopf war, ein Mann mit guten Überzeugungen und Idealen zwar, aber zu jung, um Kompromisse einzugehen.
    David Oshoha gehörte zu den Mitgliedern der SWAPO in Windhoek, und Horatio konnte sich denken, dass er den Tod seiner Großmutter bei der Demonstration nicht ungesühnt lassen würde. Trotz seiner Rachegelüste war David ein Nama mit Leib und Seele. Ohne sich über die Vereinbarkeit seiner Überzeugungen Gedanken zu machen, glaubte er sowohl an die Ahnen und die Götter als auch an eine Gleichberechtigung aller Menschen. Eine Gleichberechtigung, die seiner Meinung nach notfalls auch mit Waffengewalt durchzusetzen war.
    Seit Horatio entdeckt hatte, dass David ihnen folgte, hatte er sich Sorgen gemacht. Und nun, da Ruth verschwunden war, umso mehr. Er hatte in der ganzen Stadt nach David gesucht und ihn endlich in einem Pub im Viertel der Schwarzen gefunden.
    »Was willst du hier?«, hatte er ihn gefragt.
    »Dasselbe wie du. Wir sind schließlich Nama. Den Diamanten, was sonst?«
    »Du glaubst, dass das Mädchen ihn hat?«, hatte Horatio gefragt.
    »Ich weiß, dass sie eine Salden ist. Willst du mir zuvorkommen?«
    Horatio hatte den Kopf geschüttelt. »Aber nein, wirklich nicht. Es geht um mehr als um das ›Feuer der Wüste‹.«
    Und dann hatte er David erzählt, was sich zugetragen und was er herausgefunden hatte. David hatte ihm zwar vielleicht nicht geglaubt, aber er hatte dennoch versprochen, ihm zu helfen.
    Horatio wusste, dass er David trauen konnte. Sie waren beide Nama und damit Blutsbrüder. Alles andere hatte Zeit, konnte später geklärt werden. Zunächst ging es darum, Ruth zu finden.
    Also hatte Horatio den Vormittag damit zugebracht, die Truckstops und Tankstellen in ganz Lüderitz abzuklappern. Es hatte gedauert, bis er einen Mann gefunden hatte, der sich an Ruth erinnern konnte. Doch wohin sie gewollt hatte, wusste auch er nicht.
    Schließlich hatte er David angeheuert, mit ihm gemeinsam in die Wüste zu fahren. Dass sie mit dem Diamanten so eng verbunden war, machte es für Horatio leichter, David zur Mitarbeit zu überreden. Und gestern Früh waren sie aufgebrochen, waren dem Weg durch die Wüste gefolgt, vorbei an den mannshohen Sanddünen, die der kleine Junge vor Tagen beschrieben hatte.
    Unterwegs war ein Reifen geplatzt. Die Reparatur in der prallen Sonne hatte viel Schweiß und Zeit gekostet. Und so war der Nachmittag bereits angebrochen, als sie endlich bei dem Namadorf ankamen. Die Männer und Frauen hatten untätig um eine

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