Das Feuer der Wüste
Wagen nicht draußen?«
»Doch, aber in ihrem Zimmer ist sie nicht.«
»Na ja, dann weiß ich es auch nicht. Aber ich kann ja mal fragen.« Sie holte tief Luft, dann brüllte sie durch das ganze Haus: »Nancy! Nahanncy!«
Eine junge Schwarze eilte herbei. »Misses?«
»Hast du die weiße Miss mit den langen roten Haaren weggehen sehen?«, fragte sie.
Nancy nickte. »Oh ja, ein Mann war bei ihr, ein schöner Mann, aber er hatte einen harten Zug um den Mund. Ich habe mich gefragt, ob die nette Miss das wohl gesehen hat.«
Horatio atmete tief ein und aus. Er hätte die beiden Frauen am liebsten angebrüllt, doch dann hätte er gar nichts erfahren. »Wissen Sie, wo sie hingegangen sind?« Er nahm all seine Langmut zusammen.
Nancy schüttelte den Kopf. »Gegangen sind sie nirgendwohin. Gefahren sind sie. In einem Wagen mit offenem Verdeck.« Sie senkte die Stimme und hauchte ehrfürchtig: »Es war ein Mercedes.«
»Und haben Sie vielleicht gehört, wohin sie wollten? Hat der Mann etwas gesagt?«
Nancy schüttelte den Kopf und schüttelte zugleich den Staubwedel, den sie in der Hand hatte. »Nein, mehr weiß ich nicht. Gestern Nachmittag war ihr Bett ganz zerwühlt. Ich musste es für die Nacht noch einmal herrichten.«
»Und beim Abendessen? Hat sie da jemand gesehen?«
Dieses Mal schüttelte die Pensionswirtin den Kopf. »Nein, nur die beiden Herren aus Zimmer vier und die junge Südafrikanerin aus Zimmer drei waren da. Ich habe vier Brötchen wegwerfen müssen.«
Horatio dankte, rannte heraus, fand den Dodge vor der Pension. Er überlegte, wo er so schnell einen Fahrer herbekommen konnte, doch es fiel ihm niemand ein. David hatte angekündigt, er wolle sich heute Abend betrinken. Zu viel war auch ihm geschehen – er hatte einen Feind verloren und wusste nun nicht mehr, wie er den Tod seiner Großmutter rächen sollte. Nun musste der junge Mann sich erst einmal sammeln.
Horatio hatte David gehen lassen, obwohl er ihn eigentlich gebraucht hätte. Er ahnte, wie es im Kopf und im Herzen des jungen Mannes aussah. Und er wusste, dass er eine Gelegenheit suchte, über das nachzudenken, was in den letzten Tagen passiert war.
Er rannte zurück in die Pension. »Geben Sie mir die Schlüssel zu ihrem Zimmer«, bat er die Pensionswirtin.
Die verschränkte die Arme vor der Brust. »Wie käme ich denn dazu, junger Mann? Nein, nein, meine Gäste lasse ich nicht ausspionieren. Nicht von einem Weißen, und erst recht nicht von einem Schwarzen.«
Sie baute sich so vor dem Schlüsselbrett auf, dass Horatio Schwierigkeiten hatte, an ihr vorbeizukommen. Bevor es zu einem Handgemenge kam, schrie Horatio die Frau schließlich an: »Die Miss ist in großer Gefahr. Wollen Sie etwa schuld daran sein, dass ihr etwas zustößt?«
Die Frau guckte betreten drein.
»Den Schlüssel her, sofort!«, wiederholte Horatio. »Kommen Sie mit, dann sehen Sie, dass ich nichts stehle als ihren Autoschlüssel.«
Horatio streckte seine Hand aus, und die Frau legte seufzend Ruths Zimmerschlüssel hinein. Horatio stürzte die Treppe hinauf, die Wirtin hinterher, fand den Dodgeschlüssel beinahe auf Anhieb, stürzte die Treppe wieder hinab und rannte zum Dodge. Und nun? Er hatte keinen Führerschein, hatte nie das Geld dafür gehabt. Und es waren ein paar Jahre vergangen, seit er das Auto seines Cousins über einen Feldweg fahren durfte.
»Los jetzt!«, sprach Horatio sich selbst Mut zu. Hier ging es nicht um ein paar Schrammen in der Karosserie, sondern um Leben und Tod. Er startete den Wagen, trat die Kupplung durch und gab viel zu viel Gas, sodass der Wagen absoff. Beim zweiten Mal jedoch setzte sich der Dodge ruckelnd in Bewegung.
Mit jedem Meter fuhr Horatio sicherer. Es war inzwischen so dunkel, dass man in den kleinen Nebenstraßen, die nicht von Straßenlaternen erleuchtet waren, nicht die Hand vor Augen nicht sehen konnte. Horatio fuhr so vorsichtig er nur konnte, ohne dabei jedoch an Geschwindigkeit zu verlieren. Trotzdem streifte er einmal den Außenspiegel eines anderen Wagens, schrammte ein anderes Mal beim Abbiegen am Bordstein entlang. Bald schon hatte er das Stadtzentrum verlassen und fuhr den Hügel hinauf, zu den Villen der Weißen. Kühl war es dort oben, und die Grundstücke waren mit hohen Zäunen gleichermaßen vor dem schneidenden Wind und vor Neugierigen geschützt.
Er hatte auf der Bank Henry Kramers Adresse herausbekommen. Es war zu seiner Überraschung viel einfacher gewesen, als den Zimmerschlüssel zu Ruths
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