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Das Feuer der Wüste

Titel: Das Feuer der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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alleingelassen. Ich wollte euch beiden Hübschen die Gelegenheit geben, euch gegenseitig das Herz auszuschütten. Und siehe da. Das war doch eine hervorragende Idee.«
    »Das ist doch Wahnsinn!«, warf Ruth ein. »Es wimmelt dort von Haien. Kein Mensch geht da ins Wasser.«
    Henry Kramer zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Ich habe mir die Stelle nicht ausgesucht.«
    »Der Diamant kann unmöglich noch dort sein. Das Meer wird ihn weggetragen haben. Wer weiß, wo er jetzt ist. Vielleicht schon kurz vor Europa.« Ruth hatte das Gefühl, um ihr Leben reden zu müssen. Doch Henry Kramers Gesicht war verschlossen wie eine Auster. Nur in seinen Augen glimmte es, und Ruth erkannte, dass jedes Wort sinnlos war. Er hatte sämtliche Gefühle ausgeknipst.
    »Nun, dann hoffe ich, dass eure Lungen genügend Volumen haben. Ohne das ›Feuer der Wüste‹ jedenfalls kommt ihr nicht zurück an Land. Und jetzt los! Ich habe nicht vor, euch beiden meine Pläne zu erörtern.« Er stieß die beiden Frauen grob ins Auto.
    Ruth sah sich nach allen Seiten um, um ihre Möglichkeiten auszuloten. Bis zum Horizont nichts als aufgerissenes Land. Es käme einem Selbstmord gleich, hier die Flucht zu wagen. Hier draußen war niemand, niemand würde hierherkommen, und sie hatten keine Chance, durch das Gelände zurück in die Stadt zu finden.
    »Mach uns die Fesseln los«, bat Ruth. »Unsere Arme sind eingeschlafen. Wie sollen wir tauchen, wenn uns der Körper nicht gehorcht?«
    Kramer lachte auf. »Was glaubst du, was du alles kannst, wenn du nur musst.« Er drückte die Frauen nebeneinander auf die Rückbank, gab Gas und fuhr los.
    Sie preschten durch das Diamantensperrgebiet. Hier und da gammelten im Veld rostige Werkzeuge vor sich hin. Ein alter Aufzug lag wie ein totes Tier neben der halb zugewachsenen Pad. Nicht einmal Zebras, Springböcke oder Antilopen gab es, einzig in der Luft kreisten große Vögel mit ausladenden Schwingen und gaben krächzende Geräusche von sich.
    Ruth fröstelte. Wieder stieg Ärger in ihr auf. Ärger, der sich rasch in Wut verwandelte. Totes Land, dachte sie. Alles, was wir Weißen den Schwarzen gebracht haben, ist totes Land.
    Irgendwann verließen sie die halb überwucherte Pad und bogen auf eine geteerte Straße ein. Hier kamen ihnen hin und wieder Fahrzeuge entgegen, wahrscheinlich die ersten Leute, die zur Arbeit fuhren. Doch niemandem fiel auf, dass mit dem schwarzen Pick-up etwas nicht stimmte.
    Ruth betrachtete die Innenseite der Hintertür und starrte den Türöffner an. Vielleicht ist es möglich, sich aus dem fahrenden Wagen zu werfen, überlegte sie kurz. Doch sie verwarf den Gedanken, bevor sie ihn zu Ende gedacht hatte. Ihre Hände waren noch immer gefesselt und die Handgelenke vor Schmerz ganz taub. Ohne sich auf dem Boden abfangen zu können, hatte sie kaum eine Chance, den Sturz aus dem fahrenden Wagen zu überleben.
    Sie warf einen Blick auf Henry Kramer, der schweigend weiterfuhr. Gestern noch hatte sie geglaubt, ihn zu lieben – und von ihm geliebt zu werden. Und heute? Er hatte die Kiefer fest aufeinandergepresst, sein Kinn wirkte hart und kantig, und auch die Lippen hielt er schmal zusammen. Er fuhr konzentriert, doch hin und wieder strich er sich nervös über die Stirn und verriet damit, unter was für einer Anspannung er stand.
    »Du willst den Diamanten nicht für dich, habe ich recht?«, fragte sie. »Für wen willst du ihn? Wem bist du etwas schuldig? Wem willst du etwas beweisen?«
    »Halt den Mund, dumme Gans!«, rief er und gab Vollgas, sodass die Frauen zurück ins Polster gedrückt wurden. »Halt den Mund und wage es nicht, über meinen Vater zu sprechen.«
    Ruth hatte Henrys Vater mit keinem Wort erwähnt, doch jetzt ahnte sie, wer oder was ihn antrieb. Noch so ein Mensch, der es seinen Eltern beweisen musste. Sie sah aus dem Fenster. Sie hatten mittlerweile Lüderitz erreicht. Es war noch sehr früh am Morgen, viel früher, als Ruth in der Grotte geglaubt hatte. Ein paar Arbeiter schlurften mit vor Müdigkeit grauen Gesichtern in Richtung der Diamantenmine. Bauern mit Eselskarren waren auf dem Weg zum Markt. Fenster wurden aufgerissen, Betten ausgelegt. Eine Frau goss die Blumen in ihrem Vorgarten, ein Stück weiter räkelte sich eine Katze. Die Bäckereien zogen ihre Eisengitter hoch, ein Lkw lud vor einem Kiosk Zeitungsstapel ab.
    Einmal meinte Ruth, in einer Seitenstraße ihren Dodge zu sehen, ein Mann saß hinter dem Steuer. Doch die Sonne fiel so, dass sie sein Gesicht

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