Das Feuer des Daemons
zusammenzucken. »Das tut mir leid«, sagte sie. »Aber vergessen Sie nicht, Sie können jederzeit wiederkommen, wenn Sie dazu bereit sind.«
»Das würde ich gern«, sagte Don. »Vielleicht sind wir in ein paar Wochen schon weiter.«
»Schreiben Sie mir einfach eine E-Mail, wenn Sie wiederkommen möchten. Vielleicht können wir beim nächsten Mal versuchen, mit Ihrem Vater in Kontakt zu treten, ohne dafür in die Höhle zu gehen«, sagte Grace. »Vergessen Sie allerdings nicht, dass ich nichts versprechen kann. Aber ich bin bereit, es zu versuchen, wenn Sie es sind.«
Margies Augen füllten sich mit Tränen. »Danke«, sagte die ältere Frau. »Vielen, vielen Dank.«
Grace nickte. Angesichts von so viel Dankbarkeit war ihr unbehaglich zumute.
Don, der so peinlich berührt aussah, wie Grace sich fühlte, reichte ihr einen Umschlag. Durch das Papier hindurch konnte sie Bargeld erkennen. Mit einem schwachen Lächeln faltete sie den Umschlag zusammen und steckte ihn in die kleine Tasche ihrer Caprihose.
Dann gingen sie schweigend zur Straße zurück. Weder Don noch Margie schien nach Smalltalk zumute zu sein, und in Grace’ Kopf war mehr als genug los.
Sie musste das Geschehene verdauen und darüber nachdenken, was das alles zu bedeuten hatte.
Dem Geist zufolge war die Frau, die er gebissen hatte, wahnsinnig geworden. War sie zu verrückt gewesen, um das Geschehene zu begreifen und es ihren Kindern zu erklären? Wie viele von Grace’ Familientraditionen beruhten darauf, dass ihre Vorfahrinnen nicht verstanden hatten, woher die Kraft kam und warum sie sie nicht steuern konnten? Hatte schon früher eine von ihnen versucht, den Geist auszutreiben, und war daran gescheitert? Würde Grace die Kraft des Orakels nach Belieben herbeirufen können? Sie musste es üben, um herauszufinden, wie weit ihre Kontrolle reichte. Würde die Kraft jetzt, da sie ihr gehörte – und zwar voll und ganz –, nicht mehr auf Chloe oder ein anderes Kind übergehen? Würde sie mit Grace zusammen sterben? In der Tat, was fing eine Sterbliche nur mit einer unsterblichen Kraft an?
War sie … überhaupt noch sterblich? Diese Sache konnte unabsehbare Folgen haben.
Sie kamen zur Auffahrt. Grace verabschiedete sich von Don und Margie und sah zu, wie die beiden in einen Ford Pick-up stiegen. Als sie auf die Straße bogen, atmete Grace tief durch und wandte sich zum Haus um.
Und da bemerkte sie Khalil. Seine Gegenwart brodelte.
Er war im Haus. Bei Therese. Und er war sehr, sehr wütend.
Ach du Scheiße.
8
Grace eilte zum Haus und kletterte so schnell sie konnte die Verandastufen hinauf. Als sie die Hand nach der Fliegengittertür ausstreckte, war Therese bereits auf der anderen Seite und stieß sie kräftig auf. Grace fuhr zurück. »Hoppla, ganz ruhig.«
Therese war eine hübsche Frau von Mitte dreißig und hatte normalerweise einen Schneewittchen-Teint – wie Grace es heimlich nannte: sehr dunkles Haar, helle Haut und einen vollen Mund, den sie mit rotem Lippenstift betonte. Doch im Moment leuchteten auf der cremefarbenen Haut der Frau zwei rote Hektikflecken.
»Du hast einen Dschinn im Haus!«, zischte Therese. »Ich hatte davon gehört, dass neulich einer hier war, aber ich dachte, er wäre weg!«
Wie in jeder kleinen, engmaschigen Gemeinschaft wurde auch bei den Hexen getratscht. Der Prozentsatz von Menschen, die mit magischer Energie geboren wurden, war niedrig, und oft wurden die Fähigkeiten innerhalb von Familien weitergegeben. Die Anzahl derer, die ihre Kräfte tatsächlich nutzten und ausbildeten, war noch geringer, selbst hier in ihrem eigenen Reich. Bei der letzten Zählung hatten weniger als sechstausend Personen angegeben, eine Ausbildung in der Hexenkunst erhalten zu haben.
Die Gerüchteküche in den Zirkeln war berüchtigt, daher hätte es Grace nicht überraschen sollen, dass Janice den anderen von Carling, Rune und Khalil erzählt hatte, aber Thereses säuerlicher Tonfall machte Grace wütend.
Sie warf einen Blick ins Haus. Khalil stand breitbeinig und mit verschränkten Armen da. Er trug noch die selbe schwarze Tunika und Hose wie vorhin, seine Augen glühten vor Zorn. Er sah gewaltig und mörderisch aus.
»Er ist ein Freund von mir«, sagte Grace scharf. »Und ich wusste, dass er vorbeikommen würde. Ich habe nur vergessen, es dir zu sagen.« Eigentlich hatte sie sagen wollen, es täte ihr leid, dass sie der anderen Frau nicht Bescheid gesagt hatte, aber sie wollte verdammt sein, wenn sie sich jetzt
Weitere Kostenlose Bücher