Das Feuer des Daemons
zugesehen, wie sie Spielsachen aus ihrer Spielzeugkiste holte. Khalil war so wütend gewesen, dass Therese nur deshalb unversehrt geblieben war, weil die Kinder dabei gewesen waren.
Freund.
Während des vergangenen Tages war Khalil mit seinem eigenen Leben beschäftigt gewesen, doch er hatte noch nicht alles erledigt, was er sich vorgenommen hatte. Er wollte noch mit einem der Dschinn aus der ersten Generation seines Hauses über Grace’ Vision sprechen, weil er zu verstört war, um das Erlebnis zu vergessen. Auch wenn die Vision für Cuelebre bestimmt gewesen war, Khalil hatte die Stimme ebenfalls gehört. »Global«, hatte Grace es genannt. Und »elementar«. Das Orakel mochte zu den Visionen, die es für andere Personen erhielt, Distanz wahren müssen, doch für ihn galt das nicht.
Andere Angelegenheiten kamen seinen Zielen in die Quere. Letzten Endes brachte er die Nacht damit zu, mit gewissen Mitgliedern seines Hauses über ein Problem zu diskutieren, das mit dem Hause Shaytan aufgekommen war. Am Morgen hatte sich das Geschlecht der Marid versammelt, um zu entscheiden, wie sie als Kollektiv auf bestimmte Handlungen von Mitgliedern des Hauses Shaytan reagieren würden. Wenn sich das Volk der Lüfte versammelte, tat es das über Meeren oder Wüsten, da ihre Energien wie gigantische Tornados umherwirbelten und eine Gefahr für jeden darstellten, der an eine körperliche Existenz gebunden war.
Die Handlungen im Hause Shaytan hatten ihn gelangweilt, und die Diskussionen und Argumente, die seitens seines eigenen Hauses vorgebracht wurden, fand er genauso trocken und uninteressant. Warum musste alles immer bis ins letzte Detail ausgeglichen sein? Grace hatte recht: Sie waren ein pedantischer Haufen geworden. Vielleicht hatte das Haus Shaytan absichtlich ein Ärgernis erregt, und ein Ärgernis hatte es gewiss gegeben, aber niemand war wirklich angegriffen oder verletzt worden.
Als er an der Reihe war, etwas zu sagen, drängte er die Mitglieder seines Hauses, diese ganze idiotische Sache zu ignorieren und sich wieder um ihr eigenes Leben zu kümmern. Die anderen Dschinn waren überrascht und beunruhigt. Grollend gaben ein oder zwei der anderen zu, dass die Angelegenheit vielleicht nicht ganz so dringlich sei wie zunächst angenommen. Dann stimmten einige weitere zu, und schließlich löste sich die ganze Versammlung unter missmutigem Gemurmel auf.
Das alles war eine kolossale Zeitverschwendung gewesen, und diesen Ausdruck benutzte Khalil, der als unsterbliches Wesen alle Zeit der Welt hatte, nicht gerade oft.
Anschließend reiste er zum Amtssitz des Dämonenreichs nach Houston, da die Dschinn zum übergeordneten Kollektiv der Dämonen gehörten.
In einer Hinsicht glichen die Dämonen den Nachtwesen: Sie waren unter den Alten Völkern in den Vereinigten Staaten die beiden einzigen Reiche, die eine Vielzahl von Kreaturen beheimateten. Die Wyr nämlich waren zwar ungeheuer vielfältig, aber im Kern waren sie alle Geschöpfe, die zwei Wesenheiten in sich vereinten.
Allerdings waren bei den Nachtwesen schon vor langer Zeit die Vampyre die dominierende Art geworden, und das Reich wurde von einem Vampyr-Monarchen beherrscht.
Das Reich der Dämonen war einzigartig unter den Alten Reichen in den Vereinigten Staaten. Genau wie die Staatsform der Menschen und die Gemeinschaften der Dschinn wurde es nach dem Konsensprinzip regiert, und zwar von Vertretern sämtlicher Dämonenarten: der Dschinn, der Teufel, der Medusen, der Oger, der Monster (Wesen, die keine Wyr-Gestalt entwickelten, wie zum Beispiel die Sphinx) und – unerfreulicherweise – auch der Goblins. Alle betrachteten die Goblins als unerfreulich.
Die älteren Mitglieder der fünf Dschinn-Geschlechter übernahmen reihum die Repräsentantenfunktion in der Legislative des Dämonenreichs, und im Moment leistete Khalil seine zweijährige Amtszeit ab. Die Aufgabe war nicht besonders schwierig, aber zeitaufwendig. Als er in seinem Büro in Houston ankam, nahm er seine körperliche Gestalt an, um den Nachmittag damit zu verbringen, Dokumente zu lesen und E-Mails zu beantworten.
Am späteren Nachmittag machte er eine Pause. Einem Impuls folgend, googelte er »Grace Andreas« und »Orakel«. Er fand die Website des Orakels und las alle Informationen, die es dort gab. Selbst für Dschinn-Begriffe hatte das Orakel eine lange, bewegte Geschichte.
Freund.
Seine Welt war groß und kompliziert, sie basierte auf Bündnissen über Bündnissen. Sein Haus. Die Dschinn. Die
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