Das Feuer des Daemons
Finger waren von der harten Arbeit leicht gerötet. Mit ernster Miene hob er ihre Hände an, um erst die eine und dann die andere zu küssen. »Ich will deine Tage nicht schwieriger machen. Ich habe dir zugesichert, dich und die Kinder zu beschützen, und das werde ich auch in dieser Hinsicht tun.«
Sie nickte. Lag da Resignation oder Enttäuschung in ihrem Blick?
Dann beugte er sich vor und küsste sie. Diesmal tat er es zart, und genau wie am Vorabend öffneten sich ihre hübschen Lippen vor Überraschung. Er liebkoste ihre Lippen mit seinen und erkundete genüsslich dieses weiche, üppige Terrain. Dann zog er sich zurück und sagte mit Bestimmtheit: »Ich habe dich verstanden, und ich respektiere deine Gründe, aber du solltest nicht Nein sagen. Ich habe mich entschuldigt, und du hast die Entschuldigung angenommen. Das heißt, wir sollten diese Sache hinter uns lassen und in die Zukunft sehen.«
Sie blickte auf ihre Hände und verzog unsicher das Gesicht.
Mit fester Stimme sagte er: »Grace.« Ihr Blick schnellte wieder zu ihm. Er legte die Hand an ihre Wange und sagte: »Morgen habe ich zu tun. Aber am Freitag komme ich her, um den Kindern vorzulesen. Und du solltest sagen ›Mal sehen‹.«
»Du sollst mir nicht vorschreiben, was ich sagen soll«, sagte sie mit finsterem Blick.
Er strich mit dem Daumen über ihre Lippe und hob die Brauen. »Und?«
Einen Augenblick lang wirkte sie unentschlossen, und er machte sich schon auf den nächsten Streit gefasst. Dann breitete sich auf ihrem Gesicht ein zögerliches Lächeln aus, und ihre Grübchen waren wieder da. »Also gut. Mal sehen.«
10
Am Donnerstag und Freitag hatte Grace noch mehr zu tun als sonst. Neben ihren üblichen Aufgaben für die tägliche Versorgung von Chloe und Max war die Vorbereitung auf den Freiwilligen-Arbeitstag mit fast ebenso viel Arbeit verbunden wie der Tag selbst.
Am Morgen nach ihrem Gespräch mit Khalil wachte sie noch vor den Kindern auf und hatte im Kopf schon einen Ablaufplan ausgearbeitet. Die neunzigtägige Schonfrist für ein neues Orakel war ein Brauch, kein Gesetz der Natur oder der Magie und auch kein heiliges Abkommen mit einem Gott. Es war nicht mal ein Tauschhandel, und nachdem sie die Kraft des Orakels bei Tageslicht zu sich gerufen hatte, konnte sich Grace keinen Grund vorstellen, warum sich nicht auch an dieser Frist etwas ändern lassen sollte.
Es war Isalynn LeFevre in ihrer Eigenschaft als Oberhaupt der Hexen gewesen, die den Babysitterplan mit freiwilligen Hexen eingerichtet hatte. Isalynn war eine große, imposante Afroamerikanerin von altersloser Schönheit; dem Aussehen nach hätte sie in den Dreißigern sein können, doch Grace schätzte, dass sie eher auf Mitte fünfzig zuging, da sie nicht nur zu den dienstältesten und beliebtesten Senatoren Kentuckys gehörte, sondern auch seit über zwölf Jahren Oberhaupt des Hexenreichs war.
»Das Orakel«, hatte Isalynn nach dem Gedenkgottesdienst für Petra und Niko zu Grace gesagt, »gehört schließlich zu den Ressourcen und Stärken unseres Reichs und ist zudem unser Erbe, also liegt es in unserer Verantwortung, dich zu unterstützen.«
Bevor sie noch einmal darüber nachdenken und eventuell einen Rückzieher machen konnte, schrieb Grace noch bevor die Kinder aufwachten eine E-Mail an Isalynn LeFevres Büro.
Sehr geehrte Senatorin LeFevre,
aufgrund unvorhergesehener Komplikationen wird es mir noch mindestens einen Monat lang nicht möglich sein, Befragungen als Orakel entgegenzunehmen. Daher möchte ich Sie bitten, diesbezüglich eine öffentliche Mitteilung zu machen. Außerdem werde ich ein Schild an der Auffahrt zu meinem Haus anbringen. Es tut mir leid, wenn den Befragern dadurch Unannehmlichkeiten entstehen.
Obwohl ich sehr dankbar für die Babysitterliste bin, die Ihr Büro aufgestellt hat, benötige ich darüber hinaus Referenzen von jedem, der auf dieser Liste steht, bevor ich meine Pflichten wieder aufnehme.
Vielen Dank für Ihre Unterstützung.
Mit freundlichen Grüßen,
Grace Andreas
Danach saß sie einige Minuten lang zusammengekauert da und konzentrierte sich auf die Kraft, die so tief in ihrem Inneren ruhte. Wenn sie sich irrte, konnte diese Kraft sie immer noch verlassen und auf Chloe übergehen.
Ich erhebe Anspruch auf dich, und ich werde an dir festhalten,
sagte sie, als sie die Kraft zu sich rief.
Du wirst bei mir bleiben. Du gehörst mir.
Wie zuvor stieg das dunkle Meer auf ihren Befehl hin bereitwillig empor, noch immer gewaltig,
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