Das Feuer Kabals
Seraphia war so aufgeregt wie die anderen.
»Hast du gehört?«, fragte Dschirea leise.
»Nein, was?«
Dschirea kicherte und flüsterte ihr ins Ohr.
»Kiruu hat sich mit Glonkabell verabredet.«
Seraphia schnaubte. »Da wird sie morgen o-beinig herumlaufen. Dieser dämliche Bauer …«
Dschirea sah sie mit einem hämischen Grinsen an. »Sind wir etwa neidisch?«
Seraphia wandte sich ab. »Nein.«
Dschirea stupste sie an. »Das war ein Witz. Was ist los mit dir?«
»Nichts. Ich wünschte nur …«
»Ah! Du hast den geheimnisvollen Fremden in dein Herz geschlossen. Gib es zu!«, sagte Dschirea verschwörerisch.
Seraphia lachte und kitzelte sie durch, bis sie quiekende Laute von sich gab.
»Hör auf! Hör auf! Ich bin ja schon still! Ob er heute wieder da ist?«
»Wer?«
»Na dein Fremder, der mit den schwarzen Haaren und dem Kraindrachen.«
»Ach, Kraindrachen, jetzt spinnst du aber!«
»Nein, frag Jaosti, es stimmt!«
Seraphia schaute Jaosti an und sie nickte.
»Tatsächlich?«
»Es stimmt. Ich glaube er kam aus Idrak. Er brachte der Äbtissin eine Schriftrolle und eine Schatulle, ich habe es selbst gesehen.«
Seraphia sog die Luft ein.
Idrak! Der größte Tempel des Ordens und sein Hauptheiligtum auf Kabal! Dort werde ich hingehen, wenn ich hier fertig bin.
»Nun kommt es … gleich fängt sie wieder von ihrer Zeit in Idrak an, ich sehe es schon an dem Blick«, sagte Jaosti und verdrehte die Augen.
Seraphia zog eine Grimasse.
Die anderen lachten. Dschirea und sie planten seit einem Jahr, nach ihrer Initiation nach Idrak zu reisen. Sie hatten dort eine Zeit gemeinsam verbracht, wie es für Adeptinnen üblich war. Doch nicht alle wollten nach Idrak. Viele zog es zurück in ihre Heimatstädte, wo sie nahe bei ihrer Familie und ihren Freunden sein und endlich die Einsamkeit des Klosters hinter sich lassen konnten. Seraphia und Dschirea nicht. Sie wollten in Idrak sein, dort kam die ganze Welt hin. Händler und Reisende, Botschafter und Pilger. Es war der bunteste und aufregendste Ort auf ganz Kabal. Obwohl diejenigen, die aus den goldenen Städten an der Nordostküste kamen, gern anderes behaupteten.
Der Fahrstuhl setzte auf dem Talboden auf und das Gitter öffnete sich quietschend vor den Adeptinnen. Der Pulk blauer Roben ergoss sich aus dem Bronzekorb und schwappte wie eine dunkle Welle die Steintreppe ins Tal hinab. Einzelne Grüppchen bildeten sich heraus und bald spazierten Jaosti, Dschirea und Seraphia allein.
»Ich bin froh, wenn ich zurück daheim bin. Ich vermisse meine Familie. Diese ganze Feier erinnert mich nur daran, dass sie jetzt das Su‘Karan feiern. Ich würde so gerne mal wieder auf meinem Kamel reiten. Der alte Orra vermisst mich bestimmt schon«, sagte Jaosti.
Dschirea nahm sie in den Arm. »Du hast häufig Heimweh in letzter Zeit. Was machst du eigentlich, wenn du eine Priesterin bist? Kannst du in der Nähe der Mokaa-Wüste bleiben, um deine Sippe gelegentlich zu besuchen?«
Jaosti biss sich auf die Unterlippe. »Ich weiß gar nicht, ob ich überhaupt eine Priesterin sein will«, flüsterte sie.
Dschirea und Seraphia hielten inne. Sie sahen Jaosti entsetzt an.
»Warum bist du dann im Kloster?«, fragte Dschirea.
Jaosti unterdrückte ein Schluchzen und kämpfte gegen Tränen. »Ich wollte fort von meiner Heimat. Aufregende Abenteuer erleben, wie in den Sagen, die mein Großvater abends am Feuer erzählte. Aber jetzt, wo ich fort bin, vermisse ich ihn und seine Geschichten. Ich möchte meine Schwestern und Brüder sehen. Mutter und Vater.«
Jaosti weinte.
Seraphia und Dschirea wechselten einen betrübten Blick. Seraphia hakte sich bei Jaosti unter und Dschirea nahm ihren anderen Arm.
»Da gibt es nur eine Möglichkeit«, sagte Dschirea.
»Was denn?«, fragte Jaosti.
»Du musst deinen Kummer in Wein ertränken!«
Jaosti lachte und gab ihr einen schwachen Hieb auf die Schulter. »Du bist blöd!«
»Und du willst eine Priesterin werden! Du lässt uns nicht im Stich! Wir gehören zusammen!«, sagte Seraphia.
Jaosti nickte. »Tut mir leid! Ständig müsst ihr mein Gejammer mit anhören.«
»Oh ja. Das ständige Gejammer …«, sagte Dschirea wie eine alte Frau und verstellte dabei ihre Stimme.
Sie lachten und Jaosti wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Sie atmete tief ein. »Danke!«
Sie setzten ihren Weg fort.
»Kiruu hat sich also mit diesem Bauerntrampel verabredet?«, fragte Seraphia.
Jaosti prustete los. »Das wird sie morgen bereuen! Oder er, nach
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