Das Feuer Kabals
zog sich seinen schäbigen Schuh über und sammelte die Münzen aus der Truhe auf. Mit einem letzten Blick zur Decke verließ er den Raum.
Warum bin ich jetzt ein Käfer?
Charna überlegte fieberhaft. Der Schmerz war aus ihrem Bein gewichen und sie fühlte sich nicht mehr so schwach.
Womöglich habe ich die Fähigkeit, mich zu verwandeln?
Mit einem Gedankenbefehl versuchte sie, ihre Form zu verändern. Sie war nun eine Spinne. Ihre Augen überblickten das gesamte Zimmer. Der Eindruck war etwas verwirrend, aber sie gewöhnte sich schnell daran.
Das Rätsel ist der Größenmaßstab! Mein Körper ist klein und seiner Kraft beraubt, aber ich kann jede andere Form annehmen, die meiner Größe entspricht. Warum geschieht das alles? Soll ich daraus etwas lernen?
Charna hing reglos an der Decke und überdachte ihre Situation. Hier in dieser Illusion des Namenlosen Abgrunds und auch zurück auf Kabal, wo Probleme einer größeren Ordnung auf sie warteten. Sie erkannte, dass sie sich zu sehr auf ihre Macht und ihren Einfluss verlassen hatte. Sie musste ihre Kräfte geschickter und weiser einsetzen als zuvor. Den Kampf um die Vorherrschaft auf Kabal konnte sie nicht im rohen Kräftemessen gewinnen. Sie musste sich anpassen und vielseitig sein, wenn sie der überlegenen Macht der Frostreiche nicht unterliegen wollte.
Der Mann kehrte in das Zimmer zurück und blieb direkt unter ihr stehen. Er kratzte sich ausgiebig am Kopf und helle Schuppen fielen im Licht der Öllampe flirrend auf seine Schultern.
Charna folgte einem Impuls und ließ sich an einem Faden herab. Sie landete auf seinem Rücken und ignorierte die vertrockneten Reste der Kopfhaut, die den Stoff bedeckten. Sie verkrallte sich mit ihren acht Klauen in der groben Faser seiner Jacke und wartete ab. Der Riese wühlte noch einmal in der Truhe herum, schimpfte leise vor sich hin und verließ das Zimmer durch die einzige Tür. Der andere Raum war größer und hatte ebenfalls eine Tür an seinem Ende, die mit einem schweren Balken gesichert war. Charna war sich sicher, dass es sich um eine Außentür handelte. Sie sprang vom Rücken des Mannes herab und ließ sich an einem Faden zum Boden hinab. Wie ein geölter Blitz lief sie in eine Ecke des Zimmers und erklomm die Wand. Sie sah sich um, was ihr in ihrer Spinnengestalt einfacher erschien, als je zuvor. Es war ein Raum mit Ofen und Bett, auch hier kein Fenster, nur die eine Tür am gegenüberliegenden Ende. Charna fühlte stärker als zuvor das absurde Element dieses Trugbildes. Sie wusste unversehens, dass sie nur die Tür passieren musste, um diese Vorstellung zu beenden.
Bis zur nächsten Ecke des Zimmers rannte sie an der Wand entlang und ihre acht Beine trugen sie leichtfüßig auf der Mauer voran, obwohl die Schwerkraft sie hinabzerren wollte. Sie erreichte ohne Zwischenfall die Tür, während der Riese ein Essen auf einem alten Ofen zubereitete. Der Geruch ranzigen Fetts war ekelerregend.
Sie ließ sich zu Boden fallen und lief zur untersten Kante der Tür. Um eine Ritze oder einen Spalt zu finden, der sie hindurch lassen konnte, flitzte sie schnell daran entlang. Als sie endlich eine Fuge entdeckte, war diese nicht hoch genug für ihren Spinnenleib. Sie verwandelte sich in eine Schabe, aber sie war nicht ausreichend flach. Sie probierte einen platten Wurm, doch der Platz reichte nicht aus. Sie wählte erneut die Spinnenform und lief die Kanten der Tür ab. Kein Einschnitt war breit genug, sie hindurch zu lassen.
Das ist nicht fair!
Sie betrachtete die Tür. Hier war nur ein schwerer Holzriegel, kein Schlüsselloch, durch das sie eventuell hindurchgepasst hätte.
Es muss eine Alternative geben! Ich denke nicht kreativ genug innerhalb meiner Möglichkeiten.
Sie beobachtete den riesenhaften Mann. Wenn sie es schaffte, ihn dazu zu bringen, die Tür zu öffnen, dann war sie in Freiheit und würde dieses leidige Spielchen beendet haben. Sie konnte auch warten, bis er den Raum verließ, aber irgendetwas sagte ihr, dass sie die Initiative ergreifen musste oder ewig hier verharrte.
Sie verwandelte sich in eine Hornisse.
Sie flog in die andere Ecke des Zimmers und näherte sich dem Mann surrend. Er riss die Augen auf und rannte zur Tür, öffnete sie und ergriff ein Tuch vom Tisch. Er wedelte damit und scheuchte sie mit respektvollem Abstand hinaus. Charna flog in die Höhle und entfernte sich rasch von dem Riesen. Sie flog, bis sie ihn aus den Augen verloren hatte. Das Fliegen selbst ging in einen angenehmen
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