Das Feuer Kabals
wieder ganz gut. Ich bin mir sicher, dass es mir bald besser geht«, sagte Mehmood und stand auf, um sich von Meran zu Wira bringen zu lassen.
Sie verließen die muffige Krankenhalle, über der der Geruch der sterbenden Sidaji hing wie ein Leichentuch, und erreichten nach einigen Minuten ein flaches Gebäude, das einen unscheinbaren Eingang auf der Rückseite hatte. Treppen führten in steilem Winkel in eine von nur wenigen Lampen schwach erleuchtete Kammer, die sich weit vor Mehmood ausdehnte. Es handelte sich um eine Begräbnisstätte, die von zahlreichen Sarkophagen und Urnen ausgefüllt wurde. Sie erreichten Wira am anderen Ende der Kammer, wo sie vor einem steinernen Tor stand, umgeben von drei Eishexen und fünf Leibwächtern. Die Eishexen warfen ihr flüchtige Blicke zu und Wira ignorierte sie im Moment vollständig, da sie dem Bericht einer Eishexe mit verletztem Arm lauschte.
Wira war eine außergewöhnlich große Frau mit langen, drahtigen Gliedmaßen. Sie überragte alle Anwesenden und strahlte eine Überlegenheit aus, die über ihre körperliche Erscheinung hinaus ging. Sie trug eine leichte Rüstung aus Leder und wattiertem Stoff in dunkelblauen und grünen Farbtönen. Ihr Haupthaar war kurzgeschoren wie bei einem Soldaten und von einem hellen Blondton. Sie hatte keinerlei Schmuck, was Mehmood auffällig fand. Die legendären Kristallschwerter trug sie griffbereit auf dem Rücken. Sie rührte sich nicht und stand schweigend mit überkreuzten Armen in der Mitte der Gruppe. Er lauschte den Worten der Eishexe, doch er konnte dem Bericht keine Neuigkeiten entnehmen. Wira schickte die verletzte Sjögadrun mit einem Leibwächter fort und drehte sich zu Mehmood und Meran um. Sie hatte eisblaue Augen von leuchtender Farbe. Ihr Blick war so kalt wie das Wasser des Firahun-Sees, der ihren Herrschaftssitz umgab. Mehmood fühlte sich gehäutet und filetiert, bevor Wira das erste Wort an ihn richtete.
»Julana. Dein Gedächtnisverlust kommt äußerst ungelegen. Ich nehme an, du hast keinen blassen Schimmer von der Aufgabe, die ich dir gestern erteilt habe?«
»Leider nicht, meine Königin.«
Wira lächelte amüsiert. »Etwas Gutes hat dieser kleine Unfall zumindest hervorgebracht. Du hast deine Manieren zurückerlangt.«
Was ist so komisch an dieser Situation? Alles, vermutlich.
»Ich hoffe, ich stehe euch bald wieder vollständig zur Verfügung.«
Wiras Augen blitzten grausam auf. »Das wäre ein Vergnügen, das ich seit zu vielen Tagen vermisse«, sagte sie und ließ ihren Blick langsam an Julanas Gestalt herabgleiten.
Julana, dein Leben möchte ich nicht führen müssen.
»Meran sagte mir, ich solle in eurer Nähe bleiben.«
Wira trat näher an sie heran und sah herab. »Ganz nah bei mir«, flüsterte sie.
Mehmood schluckte.
»Wie ihr wünscht, meine Herrin.«
Bilde ich mir das nur ein, oder ist sie noch widerwärtiger, als Seral mir berichtet hat?
Wira lächelte und schickte Meran mit einem Blick fort.
»Wie stehen kurz davor, dieses Tor zu öffnen. Es führt zu einer Kammer, die ein Artefakt der Sidaji enthält, dessen Macht wir nur vage schätzen können. Es handelt sich um ein Schmuckstück, angeblich eine Krone, mit dessen Hilfe man das Wetter an einem Ort kontrollieren kann. Der Träger beherrscht Sturm und Blitz und kann diese mit verheerender Wirkung über ganze Landstriche ziehen lassen. Die Sidaji nutzten das Artefakt im Krieg, um die Küsten Grandtals von sämtlichen Häfen und Befestigungen zu reinigen. Der Verlust an Menschenleben war enorm. Ganz zu schweigen von den Ausfällen an Kriegsgerät.«
Wira nickte den Eishexen zu und überkreuzte ihre Arme erneut. Die beiden Frauen nahmen Aufstellung um das Tor herum und hielten ihre Hände weit von sich gestreckt. Mehmood spürte die Kräfte des Wasserelementes, die sich um sie sammelten. Die Eishexen intonierten einen leisen Singsang in einer alten, kehligen Sprache der Frostvölker, deren rauer Klang einen Schauer über Mehmoods Rücken sandte.
Blau leuchtendes Eis überzog das Tor und kalter Nebel waberte in die Kammer zurück. Die Hexen rissen mit einem Aufschrei ihre Arme zurück und das Tor zerbrach lautstark in viele Stücke. Mehmood hielt sich die Hände schützend vor das Gesicht, als Steinbrocken und Staub in seine Richtung flogen. Das magische Eis hatte das massive Tor vollständig zerstört. Es musste von enormer Stabilität gewesen sein, denn die Eishexen wirkten erschöpft bis an die Grenze der Ohnmacht. Einer knickten die
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