Das Feuer von Konstantinopel
in ihren Augen wie ein Tier in der Falle.
„Schicken dich deine Eltern?“, wollte sie von dem Jungen wissen.
„Meine Eltern habe ich seit dem Brand nicht mehr gesehen. Ich weiß nicht, wo sie sind!“, antwortete Felix traurig.
„Gehen wir zur Polizei. Das wird das Beste sein. Sie sind wirklich nett. Egal, in welchen Schwierigkeiten du steckst. Sie helfen dir bestimmt!“, sagte Fräulein Romitschka und umklammerte dabei fest ihren Schirm.
Doch Felix hielt sie zurück.
„Die können nichts für mich tun, Fräulein Romitschka. Ich brauche die blaue Reisetasche. Bitte, nur Sie können mir jetzt helfen!“
Fräulein Romitschka antwortete nicht.
„Ist sie oben in dem Zimmer?“, fragte Felix.
Fräulein Romitschkas Gesicht verdunkelte sich schlagartig. Voller Bitternis starrte sie Felix in die Augen.
„Ich weiß, was los ist!“ Ihre Stimme klang hart. „Mir machst du nichts vor! Es ist diese Krähe. Sie hat all das Unglück über uns gebracht. Du musst sie verjagen, Felix!“
„Was reden Sie denn da...?!“, Felix war völlig verwundert. „Sie ist doch längst fort.“ Seine Stimme klang wehmütig, denn er vermisste Suleika sehr. Bestimmt hätte sie einen Ausweg gewusst. Sie war so klug und sie wusste von so vielen Dingen zu erzählen. Ein jeder hörte ihr gerne zu...
Fräulein Romitschka atmete hörbar durch. Erleichterung machte sich bei ihr breit. Die Neuigkeit gefiel ihr.
„Ich kann dich doch nicht einfach wieder so laufen lassen, Felix.“, sagte sie. „Du bist doch noch ein Kind. Ich werde jetzt die Polizei holen!“
Fräulein Romitschka drehte sich auf dem Absatz um, bereit, durch den wilden Garten zu schreiten und die Polizeiwache zu betreten.
Ein Schlag auf den Kopf ließ sie zu Boden fallen, geräuschlos wie ein Blatt im Herbst. Felix kniete sich neben sie. Den Ast, mit dem er sie niedergestreckt hatte, warf er ins Gebüsch zurück.
„Es tut mir alles so schrecklich leid, Fräulein Romitschka, aber Sie haben mir keine andere Wahl gelassen“, flüsterte er voller Mitgefühl. „Ich hoffe, es hat nicht zu sehr weh getan.“
Eile war geboten. Er musste sich unbemerkt ins Haus schleichen, vorbei an den Polizisten. Und das möglichst schnell, bevor Fräulein Romitschka wieder zu sich kam und Alarm schlug. Er wusste noch genau, an welchem Fenster sie vorhin gestanden hatte. Wenn er Glück hatte, fand er in diesem Zimmer auch die blaue Reisetasche...
Der Kardinal schritt voran. In der Hand hielt er den Schlüsselbund. Hinter ihm ging der alte Doktor. Er konnte in den muffigen Gängen unterhalb der ‘Neuen Welt’ kaum Schritt halten und atmete schwer.
„Ein Kranker gehört nicht in so eine Gruft!“, murmelte er, verärgert über so viel Unvernunft.
Der Kardinal schloss die Kellertüre auf. Baptist hatte den Apfel von Felix noch nicht gegessen, er hielt ihn immer noch in der Hand. Er wirkte müde und benommen.
„Das haben wir gleich!“, sagte der Doktor mit seiner freundlichen Stimme und streichelte Baptist liebevoll über den Kopf. Dann untersuchte er ihn.
„Fieber. – Hat er sich in letzter Zeit übermäßig aufregen müssen?“, wollte er wissen.
„Möglich. – Machen Sie ihn wieder gesund. Ich zahle jeden Preis“, antwortete der Kardinal.
Der Doktor fühlte Baptists Stirn.
„Schaffen Sie ihn als Erstes hier raus. Und zwar schnell. Er braucht frische Luft, Essen und ein richtiges Bett. Ein warmes Wannenbad wäre ebenfalls ratsam. Dazu viel Ruhe!“
Baptist sah den alten Doktor mit glasigen Augen an.
„Madame Dolly...“, flüsterte Baptist im Fieberwahn und hielt die Hand des Doktors fest, „...sagen Sie ihr nicht, wo ich bin. Sie darf es nicht erfahren. Sie wird uns folgen... das Sonnenschiff ist nicht gekommen...! Wo soll sie hin? Sie wird uns folgen.“
Der Doktor tätschelte die Hand des Jungen und brummte friedlich vor sich, um ihn wieder zu beruhigen.
Der Kardinal aber wurde hellhörig.
„Was ist mit Madame Dolly, sprich’ Baptist!“, zischte er den Jungen an.
Baptist schwieg.
„Lassen Sie ihn in Ruhe!“, ordnete der Doktor an. „Er spricht im Fieber. Das strengt ihn an. – Tragen Sie ihn nach oben, ich bin zu alt dazu!“
Der Kardinal nahm den erschöpften Baptist auf den Arm und verließ mit ihm den Raum. Der Doktor holte tief Luft und folgte ihnen.
„Felix hat alles kaputt gemacht...!“, sagte Baptist traurig und lehnte seinen Kopf an die Schulter des Kardinals.
„Du wirst mir alles erzählen, Baptist, denn es gibt Honigbrote, viele
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